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Geld macht nicht glücklich – oder doch?

Autor
Holger Grethe
Letzte Aktualisierung
18. Juli 2013

Geld macht nicht glücklich …?

Diese Frage ist genauso alt wie umstritten.

Wäre ja schön zu wissen, denn schließlich verbringen wir nicht wenig Lebenszeit damit, es zu verdienen, sparen und anzulegen.

Dabei gehen wir ganz selbstverständlich davon aus, dass wir umso glücklicher werden, je mehr Geld wir haben.

Doch gibt es diesen Zusammenhang wirklich? Lohnt sich all der Aufwand, den wir treiben, um an mehr Geld zu kommen?

Was ist Glück?

Im boomenden Gebiet der Glücksforschung arbeiten sich unzählige Psychologen, Soziologen und Ökonomen seit Jahrzehnten an der Frage ab, ob Geld glücklich macht oder nicht.

Die Probleme fangen schon bei der Definition an: was ist Glück überhaupt?

Sprechen wir von der allgemeinen Zufriedenheit mit unserem Leben oder über das im Moment empfundene Glück, das von den jeweiligen Umständen abhängt?

Hinzu kommt, dass es uns manchmal wirklich schwer fällt zu sagen, ob wir nun glücklich sind oder eher nicht.

Denn letztlich handelt es sich um einen flüchtigen Gefühlszustand, der zudem noch überlagert wird vom gesellschaftlichen Ideal, möglichst immer glücklich zu sein. Selbst wenn wir nicht glücklich sind, wünschen wir uns zumindest, wir wären es.

Das macht Glück nur schwer messbar.

Wissenschaftler versuchen es trotzdem und untersuchen dabei gerne den Zusammenhang zwischen Geld und unserem Glücksempfinden. Ihre Ergebnisse sind, zumindest auf den ersten Blick, widersprüchlich.

„Glück ist Glas: jetzt voller Glanz,
bald jedoch zersplittert ganz.“

– Michel de Montaigne

Das Easterlin Paradox

Der Ökonom Richard Easterlin stellte 1974 die These auf, dass Reichtum nicht zu mehr Glück führt, sobald unsere grundlegende Bedürfnisse gestillt sind. Oberhalb einer gewissen Schwelle steigert ein höheres Einkommen nicht mehr das Glücksempfinden des Einzelnen, so seine Theorie.

Die beiden Ökonomen Justin Wolfers und Betsey Stevenson hingegen bestritten in ihrer 2008 erschienenen Arbeit die Existenz des Easterlin Paradox. Sie kamen zu folgenden Ergebnissen:

Hatte sich Easterlin einfach nur geirrt?

Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit

Zusammen mit dem Ökonomen Angus Deaton zeigte der Psychologe Daniel Kahneman, dass wir die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Geld und Glück etwas differenzierter betrachten müssen.

Kahneman und Deaton unterschieden in ihrer Studie zwischen dem Wohlbefinden auf der Basis täglicher Erfahrungen (Emotionen) und der Zufriedenheit, die Leute spüren, wenn sie über ihr Leben nachdenken.

Das Ergebnis: die Lebenszufriedenheit ist umso größer, je höher das Einkommen ist. Das emotionale Wohlbefinden (Glücksgefühl) steigt ebenfalls mit höherem Einkommen, stagniert aber oberhalb eines Brutto-Jahreseinkommens von etwa 75.000$ (ca. 60.000€).

Legende:
Das emotionale Wohlbefinden („Positive affect“) steigt jenseits von 75.000$ kaum noch an, wärend die Lebenszufriedenheit („Ladder“) auch darüber hinaus weiter zunimmt.
 
Die logarithmische Darstellung des Einkommens bringt zum Ausdruck, dass 1.000$ mehr oder weniger bei unteren Einkommen einen deutlichen größeren Effekt haben als bei hohen Einkommen.
 
Abdruck der Grafik mit freundlicher Genehmigung von PNAS.

Kahneman und Deaton schlussfolgerten daraus:

  • 1.

    Ein niedriges Einkommen steht im Zusammenhang mit einer geringen Lebenszufriedenheit UND geringem emotionalem Wohlbefinden.

  • 2.

    Ein hohes Einkommen sorgt für eine hohe Lebenszufriedenheit, ABER nicht für mehr Glück oberhalb eines gewissen Einkommens.

Wie erklärt sich die Diskrepanz zwischen Glück und Lebenszufriedenheit?

Das Gossensche Gesetz

„Die Größe eines und desselben Genusses nimmt, wenn wir mit Bereitung des Genusses ununterbrochen fortfahren, fortwährend ab, bis zuletzt Sättigung eintritt“

…postulierte 1854 Hermann Heinrich Gossen in seinem Gesetz vom abnehmenden Grenznutzen.

Bezogen auf das emotionale Wohlbefinden (Glück) unterliegt offensichtlich auch Geld einem Sättigungseffekt. Sobald man sich über die grundlegenden Bedürfnisse keine Gedanken mehr machen muss und komfortabel leben kann, steigert mehr Geld also nicht unser Glück – das Easterlin Paradox.

Mit den Worten von Uwe Seeler gesprochen: „Mehr als ein Steak am Tag kann man nicht essen.“

Die Hedonistische Tretmühle

Gut, beim Essen mag ein Sättigungseffekt noch nachvollziehbar sein. Aber reiche Menschen können sich manch anderen Luxus leisten. Verhilft ein schneller Sportwagen nicht zu mehr Lebensglück?

Kaum, denn Glück ist ein flüchtiger Zustand, dessen Dauer durch einen gewissen Gewöhnungseffekt limtiert wird. Dieser setzt relativ zügig ein und wird auch als hedonistische Tretmühle bezeichnet.

Es scheint, als adaptierten wir uns schnell am neu gewonnenen Wohlstand und orientierten uns fortan an diesem „subjektiven Nullpunkt“.

Unser Glücksempfinden kann, wie Richard Easterlin postulierte, bei steigendem Wohlstand sogar abnehmen. Nämlich dann wenn wir unseren Wohlstand mit dem anderer Leute vergleichen.

Aus diesem Grund hielt Easterlin das relative Einkommen, also wieviel wir im Vergleich zu unserer Umgebung verdienen, für viel bedeutender als das absolute Einkommen.

„Es stimmt, dass Geld nicht glücklich macht. Allerdings meint man damit das Geld der anderen.“

– George Bernard Shaw

Bleibt die Frage, warum Geld in der Lage ist, unsere Lebenszufriedenheit weiter zu steigern, auch wenn das Glücksgefühl stagniert?

Was Geld für uns tun kann

Als Glücksbringer betrachtet verlangten wir vom Geld etwas, wofür es nicht gemacht wurde, sagt die Psychologin Kathleen Vohs. Geld diene vor allem dazu, unsere Ziele als unabhängige Individuen zu erreichen.

„Schmerzensgeld“

Selbst wenn Geld uns nicht glücklich machen kann, so hilft es offensichtlich dabei, uns zumindest weniger unglücklich zu fühlen.

Und es kann effektiv Schmerzen lindern, unabhängig davon ob diese physischer oder seelischer Natur sind.

In ihren Untersuchungen konnte Vohs zeigen, dass das Schmerzempfinden beim Eintauchen der Hände in heißes Wasser wirkungsvoll herabgesetzt wurde, wenn die Probanden vorher Geldscheine gezählt hatten.

Die Schlussfolgerung: Geld hilft manches Leid zu ertragen, indem es uns ein Gefühl von Stärke vermittelt.

Unabhängigkeit

Je mehr Geld wir haben, desto weniger sind wir auf die (wohlwollende) Unterstützung von anderen angewiesen.

Überspitzt gesagt: Reiche müssen niemanden bitten – sie kaufen sich einfach, was sie brauchen. Sie brauchen weder sonderlich kompetent oder sympathisch sein, um ihre Ziele zu erreichen.

Es scheint die Freiheit von monetären Zwängen zu sein, die maßgeblich zur Lebenszufriedenheit beiträgt.

Aber auch diese Zufriedenheit durch Individualismus ist natürlich nicht grenzenlos. Über totale Einsamkeit kann auch kein Geld der Welt hinwegtrösten.

Motivation

Über Geld als Motivationsfaktor braucht man nicht viel sagen. Der Zusammenhang ist mehr als eindeutig.

Menschen sind bereit, härter und länger zu arbeiten, wenn sie an das Geld erinnert werden, dass sie mit ihrer Arbeit verdienen können. Und verhalten sich dabei – wie bereits gesehen – auch autonomer.

Geld macht nicht glücklich – Mein Fazit

Wir sollten das Glück als Momentaufnahme nicht mit der Lebenszufriedenheit (langfristige Perspektive) verwechseln. Glück ist ein Gefühl und kommt aus dem Bauch, Zufriedenheit ist ein Spiegel unserer Gedanken und entsteht im Kopf.

Wir können nicht erwarten, dass wir glücklicher werden, wenn unser Einkommen 60.000€ brutto im Jahr übersteigt. Darüber hinaus ist das relative Einkommen viel wichtiger als das absolute Einkommen.

Vergleichen wir uns permanent mit denen, die mehr haben als wir, werden wir unglücklich. Unabhängig davon wie reich wir sind. Wir können selbst entscheiden, mit wem wir uns vergleichen und mit wem nicht.

Geld steigert unsere Lebenszufriedenheit durch mehr Autonomie. Wir werden zwar zufriedener, aber nicht glücklicher. Ist Reichtum dann überhaupt ein erstrebenswerter Zustand?

Es kommt wohl ganz darauf an, was wir unter Reichtum verstehen. Und was wir letztlich mit unserem Geld anstellen. Von materiellen Dingen sollte man jedenfalls keine Glückswunder erwarten.

Besser man lebt jeden Tag in dem Gefühl „ich habe genug“. Das Schöne daran: du kannst selbst entscheiden, wie viel dazu notwendig ist…

Bildquelle: Unsplash (bearbeitet), lizensiert unter CC0 1.0

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Autor: Holger Grethe
Holger hat Zendepot Anfang 2013 gegründet und dort als einer der ersten deutschen Blogger regelmäßig über passives Investieren mit ETFs und weitere Finanzthemen informiert. Im Juni 2021 beschloss Holger, das Projekt Zendepot für sich abzuschließen, um sich auf sein Kerngeschäft, die eigene Praxis, zu konzentrieren. Die Beiträge von Holger können jedoch weiterhin im Zendepot-Blog abgerufen werden.
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