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Was ist besser: Mehr verdienen oder mehr sparen?

Autor
Holger Grethe
Letzte Aktualisierung
27. Dez. 2020

Am Besten natürlich beides.

Klar, doch das Grundproblem bleibt:

Tritt man beim Vermögensaufbau eher aufs Gaspedal (mehr Geld verdienen) oder lieber auf die Bremse (mehr sparen)?

Das ist nicht zuletzt eine Frage des Fahr- bzw. Lebensstils.

Und führt uns zu ganz grundsätzlichen Fragen:

Wie will ich leben? Wie viel will ich arbeiten? Was bin ich bereit für Geld zu tun? Wie leicht fällt mir der Verzicht?

Und schon wird’s philosophisch …

In diesem Artikel nähere ich mich den genannten Fragen von mehreren Seiten und versuche, ein paar handfeste Antworten zu geben …

Keine großen Sprünge mit 3.500 Euro netto?

Auslöser für diesen Artikel war eine Lesermail, die ich vor kurzem erhalten habe. Darin schreibt mir Kai, 29 Jahre alt, folgendes:

„Die Einkommensseite wird wenig beleuchtet (Du bist Selbständiger und Arzt – eine Einkommenssituation, die nicht alle haben).

Ich bin (angestellter) Maschinenbau-Ingenieur, verdiene auch ganz gut, aber eben auch ganz anders als Du und auch anders als viele andere. Manchen Menschen, mich eingeschlossen, würde es sicher im ersten Schritt helfen die Einkommens- statt die Sparenseite zu verbessern.

Vielleicht habe ich hier aber auch einen Denkfehler. Also ganz konkret: mit ca 3.500€ netto kann man keine riesigen Sprünge machen, hat aber schon mehr Geld zur Verfügung, als die meisten (meine Situation).

Du schreibst ja, dass finanzielle Freiheit als Konzept eigentlich schwierig zu argumentieren ist – eigentlich eher ein Symptom von Unzufriedenheit an anderer Stelle zeigt. Die meisten Leute haben halt einfach auch ein Einnahme- nicht nur ein Ausgaben-Problem.

Ich fühle mich mit 29 schon ziemlich alt, meine, dass ich vor 10 Jahren hätte anfangen müssen usw. (Habe vor einem Jahr begonnen). Wenn ich sehe, dass ich noch 30 Jahre bis zum Ziel habe, ist aber noch einiges möglich.

[ …] Wie entscheidet man, was eine Ausgabe ist, die man tätigen will und was nicht? Wenn ich zwei Kinder habe und zwei Mal im Jahr nach Österreich zum Ski fahren will und im Sommer Urlaub machen, frisst das sicher 10-15T €.Wenn man es aus Gründen des Anlegens nicht tut, ist man wieder in der Frugalisten-Ecke. Also wie balanciert man das richtig?Weil, man will ja auch keine halben Sachen machen und der ewig-knausrige Familienvater sein. Also ich will zumindest nicht, dass mich meine Kinder irgendwann als geizig beschreiben.“

Ich bin Kai sehr dankbar für diese Mail, da sie vier – zugegeben luxuriöse – Probleme der westlichen Zivilisation anschaulich macht:

Problem 1: Andere haben mehr

„Ich bin (angestellter) Maschinenbau-Ingenieur, verdiene auch ganz gut, aber eben auch ganz anders als Du und auch anders als viele andere.“

Kai spricht hier ein grundsätzliches Dilemma an, für das ich leider auch keine Lösung habe:

Es gibt immer einen, der mehr hat als man selbst.

Ich fürchte, damit müssen – von Jeff Bezos mal abgesehen – wohl alle Menschen auf diesem Planeten klarkommen.

Ich weiß natürlich, was die Message hinter dieser Klage ist:

Würde ich (deutlich) mehr verdienen, könnte ich auch (viel) mehr sparen!

Könnte sein, muss aber nicht.

Jedenfalls nicht dann, wenn Lifestyle und materielle Wünsche parallel mit dem Einkommen in den Himmel wachsen.

Grundsätzlich ist es natürlich so, dass man erst dann Geld sparen und investieren kann, wenn die Dinge des täglichen Lebens (Miete, Strom, Essen etc.) bezahlt sind.

Aber schon hier kann viel Boden gut gemacht oder auch verloren werden:

Denn Grundbedürfnisse wie Wohnen und Essen lassen sich sowohl kostengünstig (2-Zimmer-Wohnung, Aldi) als auch kostenintensiv (4-Zimmer-Penthouse, Edeka) befriedigen.

Das Alter nicht vergessen

Was Kai bei seinem Vergleich geflissentlich übersieht: ich bin Mitte 40 und damit rund 15 Jahre älter als er.

Und falls es ihn beruhigt:

Mit 29 hatte ich (inflationsbereinigt!) ein paar Hundert Euro netto weniger raus als er heute – und das trotz Nachtdiensten und Wochenend-Schichten im Krankenhaus.

Die nächste gute Nachricht: Je älter man wird, desto erfahrener ist man in seinem Beruf.

Und diese Erfahrung lässt sich, wenn man es richtig anstellt, in der Regel ganz gut zu Geld machen.

Sei es durch den Karrieresprung als Angestellter oder durch unternehmerisches Wachstum in der Selbständigkeit.

Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird das Gehalt von Kai über die Jahre also steigen. Und das Sparen damit (theoretisch) einfacher …

Problem 2: Zu spät dran

„Ich fühle mich mit 29 schon ziemlich alt, meine, dass ich vor 10 Jahren hätte anfangen müssen“

Also, 29 ist ja nun kein Alter, um sich über vertane Chancen beim Vermögensaufbau zu ärgern.

Ich war in dem Alter – nach Zivildienst, Medizinstudium und AiP („Arzt im Praktikum“ war die euphemistische Bezeichnung für die damalige Niedriglohnphase, in der junge Assistenzärzte die ersten 18 Monate nach ihrem Berufseinstieg mit rund 1.000 Euro brutto abgespeist wurden) – mit Ende 20 überhaupt zum ersten Mal in der Lage, Geld zurückzulegen.

Mit anderen Worten: vor 15 Jahren lag mein Vermögen bei ziemlich genau Null Euro.

(Das sieht heute erfreulicherweise anders aus)

Natürlich ist es umso besser, je früher man das Ziel Vermögensaufbau verfolgt – Stichwort: Zinseszinseffekt.

Akademiker gehen hier logischerweise später ins Rennen als Nicht-Akademiker, können aber mit einem höheren Gehalt verlorenen Boden gut machen.

Vorausgesetzt sie sparen …

Problem 3: Wie viel soll man ausgeben?

„[ …] Wie entscheidet man, was eine Ausgabe ist, die man tätigen will und was nicht? Wenn ich zwei Kinder habe und zwei Mal im Jahr nach Österreich zum Ski fahren will und im Sommer Urlaub machen, frisst das sicher 10-15T €.

Wenn man es aus Gründen des Anlegens nicht tut, ist man wieder in der Frugalisten-Ecke. Also wie balanciert man das richtig?“

Jetzt wird es interessant …

Zuerst einmal: Kais Überschlagsrechnung „10-15k für 3 Urlaube á 4 Personen im Jahr (inklusive 2x Skifahren)“ könnte gut hinkommen.

Je nach Anspruch an Skigebiet, Hotel und Essen sollte er wohl besser mit dem oberen Ende der genannten Preisspanne kalkulieren.

Die Frage ist natürlich: Müssen es wirklich zwei Skiurlaube und ein Sommerurlaub pro Jahr sein?

Ich will das an dieser Stelle nicht werten, aber selbst wenn man auf einen der beiden Skiurlaub verzichtete …

…riecht das für meinen Geschmack noch nicht ansatzweise nach Frugalismus – einem Lebenskonzept, dem ich zugeben eher kritisch gegenüber stehe.

Lebenskunst und die Sparquote

Was Kai beschreibt beziehungsweise wonach er letztlich sucht, ist die Kunst des (glücklichen) Lebens.

Niemand kann ihm die Entscheidung darüber abnehmen, ob er sein Geld lieber im Hier und Jetzt als Gratifikation einsetzt oder etwas für seinen Wohlstand im Alter tut.

Ohne zu wissen, ob er überhaupt 60, 70, 80 oder gar noch älter wird!

Ich halte mich hier an den Weg der goldenen Mitte.

Heißt: ich meide sowohl das eine als auch das andere Extrem.

Nur in der Zukunft zu leben („Spaß kann ich immer noch haben, sobald ich in Rente bin …“) kommt für mich ebenso wenig in Frage wie ein gedankenloses Schwelgen allein im Hier und Jetzt („Wozu sparen …?“)

Konkret bedeutet das: bezogen auf das Nettoeinkommen liegt meine Sparquote bei etwa 25-30 Prozent.

Nicht bei 60 Prozent (Frugalismus at its best) und auch nicht bei 5 Prozent („Konsumfalle“).

Gemeint ist hier die Sparquote für den langfristigen Vermögensaufbau. Darüber hinaus lege ich auch Geld für kurz- bis mittelfristige Ausgaben (wie Urlaub) zurück.

Es tut mir nicht weh, 30 Prozent meines Einkommens „für später“ zu reservieren. Genauso wenig schmerzt es mich, die restlichen 70 Prozent genüsslich auf den Kopf zu hauen.

Problem 4: Wer will schon ein Geizhals sein?

„Man will ja auch keine halben Sachen machen und der ewig-knausrige Familienvater sein. Also ich will zumindest nicht, dass mich meine Kinder irgendwann als geizig beschreiben.“

Das wäre nicht schön, nein.

Die Frage ist nur, ob Kinder ein Leben ohne Skiurlaube als so entbehrungsreich empfinden, dass sie ihren Vater dafür als Geizkragen verdammen.

Viel wichtiger ist doch, dass Kinder gut verdienender Eltern verstehen, wie privilegiert sie eigentlich sind.

Dass es eben keine Selbstverständlichkeit ist, überhaupt in den Skiurlaub zu fahren. Oder als Familie Fernreisen im Flugzeug anzutreten.

(Dass momentan weder das eine noch das andere so einfach möglich ist, steht auf einem ganz anderen Blatt …)

Meine Sorge, dass die Kinder unseren Lifestyle als Selbstverständlichkeit betrachten, ist jedenfalls größer als die Sorge, von ihnen für zu geizig befunden zu werden.

Zurück zur Ausgangsfrage:

Mehr Geld verdienen oder mehr sparen?

Wenn ich zwischen beiden Positionen wählen sollte, würde ich jedes Mal „mehr Verdienen“ nehmen.

Ganz klar.

Beschließe ich also jeden Monat 500 Euro mehr in den Vermögensaufbau zu stecken, überlege ich mir lieber, wie ich 500 Euro mehr verdienen kann.

Bevor ich darüber nachdenke, wie und wo ich 500 Euro zusätzlich (ein)sparen kann.

Das ist wie eingangs erwähnt eine Frage der persönlichen Neigung. Wenn es um Geld geht, trete ich eben lieber aufs Gaspedal als auf die Bremse.

Du magst das völlig anders sehen, geschenkt.

Achtung: Brutto vs. Netto

Wenn ich 500 Euro mehr sparen möchte, muss ich genau diesen Betrag von meinem Nettoeinkommen abzwacken.

Wenn ich hingegen 500 Euro netto mehr verdienen möchte, muss ich dafür – abhängig von der steuerlichen Belastung sowie der Sozialabgabenpflicht – rund 800 bis 900 Euro brutto mehr erwirtschaften.

Wie kann man mehr verdienen?

Konkrete Tipps machen an dieser Stelle wenig Sinn, da die Ausgangslage bei jedem anders ist.

Was ich aber ganz klar sagen kann:

Viel respektive mehr verdienen wirst du nur dann, wenn du es auch wirklich willst.

Hört sich nach „tschakka tschakka“ irgendeines drittklassigen Motivationstrainers an, ich weiß.

Es stimmt leider.

Es führt kein Weg daran vorbei, dass du dich hinsetzt und dir gründlich den Kopf darüber zerbrichst, wie du mehr Geld verdienen kannst.Mit anderen Worten: Denke nach und werde reich.

Nur dann wirst auf passende Lösungen stoßen.

Wenn du es denn willst.

Es wird jedenfalls nicht von alleine passieren.

Und wenn, dann war es reiner Zufall. Darauf würde ich nicht warten.

Besser ist …

Nutze deine Chancen

Der naheliegendste Weg zu mehr Geld zu kommen, ist deine (aktuelle) berufliche Tätigkeit.

Indem du die Chancen konsequent nutzt, die sich in deinem Berufsleben hier und da auftun werden.

Wer sich hingegen eher ziellos treiben lässt, vor Verantwortung zurückschreckt oder seine „social skills“ schleifen lässt, wird Karrierechancen entweder nicht erkennen oder sie gar nicht erst bekommen.

Aufpassen muss man nur, dass mit dem mehr Verdienen nicht auch (proportional) mehr Arbeit einhergeht …

Das Motto sollte sein:

Mehr verdienen, aber nicht mehr arbeiten

Das Ziel ist also, sein Einkommen pro Arbeitsstunde hochzuschrauben und somit sprichwörtlich immer wertvoller für seinen Arbeitgeber oder seine Kunden zu werden.

Und nicht mehr Stunden zum gleichen Tarif zu kloppen.

„Was redet der da?! Als ob das so einfach wäre …“

Richtig, es ist nicht einfach. Sonst würde es jeder machen.

Aber das ist ja genau der Punkt: es macht eben nicht jeder.

Weil sich nur ganz, ganz wenige Leute hinsetzen und über sich, ihr Leben, ihre Arbeit, ihre Ziele und alles was damit verbunden ist, wirklich nachdenken.

Weil Denken leider anstrengend ist. Und deshalb lassen die meisten es lieber.

Das war schon immer so, wird einem aber in Zeiten der Pandemie noch einmal ganz besonders vor Augen geführt.

Du weißt schon, was ich meine …

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Autor: Holger Grethe
Holger hat Zendepot Anfang 2013 gegründet und dort als einer der ersten deutschen Blogger regelmäßig über passives Investieren mit ETFs und weitere Finanzthemen informiert. Im Juni 2021 beschloss Holger, das Projekt Zendepot für sich abzuschließen, um sich auf sein Kerngeschäft, die eigene Praxis, zu konzentrieren. Die Beiträge von Holger können jedoch weiterhin im Zendepot-Blog abgerufen werden.
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