Geld und Moral: 7 Mythen über Börse und Kapitalismus
Der Kapitalismus ruiniert den Planeten …
Die Börse ist nichts anderes als eine Zockerbude …
Geld bringt die schlechten Seiten von Menschen zum Vorschein …
Was ist dran an solchen und ähnlichen Behauptungen, die häufig von Leuten mit linksalternativem Weltbild aufgestellt werden?
In diesem Artikel entlarve ich sieben Mythen über Börse, Geld und Kapitalismus:
Mythos 1: Geld verdirbt den Charakter
Zahlreiche Studien beweisen: Geld nimmt Einfluss auf unser Sozialverhalten und unser Denken.
Faszinierende Experimente auf diesem Gebiet wurden von der amerikanischen Wissenschaftlerin Kathleen Vohs durchgeführt.
Sie beschäftigt sich mit der Psychologie des Geldes und ihre Hypothese ist:
Menschen, denen Geld äußerst wichtig ist, betrachten soziale Interaktionen verstärkt unter einem Kosten-Nutzen-Aspekt.
Allein der Gedanke an Geld führt dazu, dass Menschen sich tendenziell autarker verhalten. Dass sie auf Distanz zu anderen gehen und weniger an einer Kooperation interessiert sind.
Denn Geld macht unabhängig und ermöglicht, dass Menschen ihre Ziele erreichen. Ohne auf die Hilfe von anderen angewiesen zu sein.
Der Psychologe Paul Piff kommt in seinen Studien zu dem Ergebnis:
Menschen der Oberschicht verhalten sich tendenziell unmoralischer. Im Straßenverkehr nehmen sie anderen beispielsweise gerne die Vorfahrt …
Bestätigen solche Untersuchungsergebnisse nicht etwa den Mythos, dass Geld den Charakter verdirbt?
Demgegenüber steht ein Zitat des ehemaligen französischen Politikers Edgar Faure:
„Geld verdirbt nur den Charakter, der bereits verdorben ist.“
Und dem Autor John Steinbeck fiel zu dieser Frage ein:
„Vielleicht verdirbt Geld den Charakter. Auf keinen Fall aber macht Mangel an Geld ihn besser.“
Geld kann also einen negativen Einfluss auf den Charakter haben, muss es aber nicht.
Ob Geld dich zu einem schlechteren oder besseren Menschen macht, liegt allein bei dir.
Wir sind für unsere Gedanken und Handlungen schließlich selbst verantwortlich und können Einfluss darauf nehmen.
Für mich steht jedenfalls fest:
Es gibt keinen Grund, nicht vermögend werden zu wollen. Jedenfalls nicht aus Angst, deswegen ein schlechter Mensch zu sein.
Mythos 2: Weil die Reichen immer reicher werden, werden die Armen immer ärmer
Der Wohlstand der Menschheit nur ein Nullsummenspiel – was ist an dieser Behauptung dran?
Das Problem fängt bereits bei der Definition von arm und reich an: Wann ist jemand arm?
Armut lässt sich sowohl als absolute wie als relative Größe definieren.
Absolute Armut
Absolute Armut liegt dann vor, wenn lebensnotwendige Bedürfnisse des Menschen wie Essen, Trinken, Kleidung, ein Dach über dem Kopf und ein Mindeststandard an sanitäre Einrichtungen über einen längeren Zeitraum nicht gegeben sind.
Und damit Gesundheit und Leben der Betroffenen bedroht sind.
Absolute beziehungsweise extreme Armut liegt nach Ansicht der Weltbank dann vor, wenn weniger als 1,90 USD pro Tag zum Leben zur Verfügung steht.
Dies betraf im Jahr 2015 allerdings „nur“ noch etwa 10 Prozent der Weltbevölkerung, nachdem die extreme Armut in den letzten 20 bis 30 Jahren deutlich zurückgegangen ist.
Vor allem in China haben sich die Lebensverhältnisse im Rahmen des wirtschaftlichen Aufschwung des Landes für viele Menschen verbessert. Ziel der vereinten Nationen ist es, die absolute Armut bis zum Jahr 2030 völlig zu überwinden.
In Teilen von Afrika stagniert die Entwicklung allerdings. Und die Situation vor Ort wird durch das ungebremste Bevölkerungswachstum wohl weiter kritisch bleiben.
Relative Armut
Schaut man sich den Armutsbegriff an, der in den westlichen Industriegesellschaften Verwendung findet, sieht man ein anderes Bild:
Absolute Armut existiert hier nicht (wirklich). Stattdessen steht der Begriff der relativen Armut im Mittelpunkt gesellschaftlicher Debatten.
Als relativ arm gelten Menschen, deren Nettoeinkommen 40 Prozent oder weniger des durchschnittlichen Nettoeinkommens (Median) beträgt.
Als armutsgefährdet gilt, wer mit 60 Prozent des Durchschnittseinkommens leben muss. In Euro ausgedrückt lag die Armutsgrenze im Jahr 2013 bei 940 EUR im Monat.
Die Frage, wie viel Ungleichheit bei den Einkommen und Vermögen akzeptabel ist und in welchem Ausmaß eine Umverteilung von oben nach unten stattfinden sollte, ist abhängig von der politischen Sichtweise.
Inwieweit verschlechtert es aber die Situation der (relativ) Armen, wenn – wie es häufig behauptet wird – die Reichen immer reicher werden?
Es ändert sich: nichts.
Und das liegt an der (sinnvollen) Verwendung des Medians als statistische Größe. Diese wird zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens herangezogen.
„Wenn hingegen – wie bei der Methode der EU – der Median verwendet wird, dann haben Einkommens-Veränderungen bei Personen, deren Einkommen vor und nach der Veränderung oberhalb bzw. unterhalb des Medians liegen, keinerlei Einfluss auf den Median und die Armutsgrenze. Wie sich die Einkommen der Spitzenverdiener (genauer: die Einkommen der ca. 49 % Besserverdienenden) entwickeln, ist damit für die Armutsgrenze unerheblich.“
Quelle: Wikipedia
Mythos 3: Der Kapitalismus bringt mehr Schaden als Nutzen
In westlichen Überflussgesellschaften zeigt sich ein erstaunlicher Hang zur Selbstkasteiung. Indem der Kapitalismus die Rolle des unheimlichen Bösewichts zugeschrieben bekommt.
Das ist insofern erstaunlich, als dass seine positiven Auswirkungen auf die Entwicklung der Menschheit beachtlich sind:
1950 lag die Wahrscheinlichkeit, dass ein Neugeborenes vor seinem fünften Geburtstag stirbt, noch bei 23 Prozent. Dieser Wert ist im weltweiten Durchschnitt bis heute auf 6 Prozent gefallen.
Ein wesentlicher Grund dafür ist eine bessere Ernährung.
Die insgesamt positive Entwicklung der Durchschnittseinkommen erlaubt es Eltern auch in ärmeren Regionen, ihren Kindern Essen in ausreichender Menge und guter Qualität zu geben.
Ein höherer sanitärer Standard trägt ebenfalls zur positiven Entwicklung bei.
1950 waren in den Entwicklungsländern noch 1,5 Todesfälle auf 1.000 Menschen durch verunreinigtes Wasser zu beklagen. Dieser Wert ist bis heute auf 0,4 pro 1.000 gefallen und dürfte sich bis zum Jahr 2050 noch einmal halbieren.
Schön, nur was hat der Kapitalismus mit dieser Entwicklung zu tun?
Der Zusammenhang ist relativ einfach zu sehen:
Entwickelte Länder schaffen die Rahmenbedingungen für eine höhere wirtschaftliche Produktivität.
Die höhere Produktivität führt zu mehr Steuereinnahmen. Diese können – sofern sie nicht von korrupten Staatsdienern veruntreut werden – in eine bessere staatliche Infrastruktur, zum Beispiel in das Gesundheitssystem, gesteckt werden.
Ein besser ausgestattetes Gesundheitssystem – zu dem die breite Bevölkerung Zugang hat – führt wiederum zu einer höheren Lebensqualität und Lebenserwartung.
Kapitalismus ist ganz sicher kein perfektes oder „gerechtes“ System. Aber ganz offensichtlich ist es bis heute das Wirtschaftssystem, das am wenigsten schlecht funktioniert.
„Nur wer im Wohlstand lebt, schimpft auf ihn.“
Ludwig Macuse
Mythos 4: Wirtschaftswachstum zerstört den Planeten Erde
Wirtschaftswachstum gilt heute als das verdorbene Kind des (bösen) Kapitalismus.
Ewiges Wachstum kann schließlich nicht funktionieren. Denn die Ressourcen der Erde sind endlich, so lautet die These der Wachstumskritiker.
In seinem Essay Nachhaltigkeit – Wachstumsverzicht oder moderates Wachstum? stellt der Finanz- und Volkswissenschaftler Ulrich Busch in Bezug auf den 1972 vorgestellten Bericht des Club of Rome fest:
„Die Botschaft des Club of Rome wurde vielfach so ausgelegt, als ginge es hier um Grenzen für das Wirtschaftswachstum. Tatsächlich aber handelt der Bericht von den Grenzen des Bevölkerungswachstums und der Endlichkeit natürlicher Ressourcen.
Indem der «Bericht» das Vorkommen und die Endlichkeit natürlicher Ressourcen behandelt, thematisiert er, ökonomisch ausgedrückt, Input-Größen. Beim Wirtschaftswachstum aber handelt es sich um eine Output-Größe, um das Ergebnis wirtschaftlicher Aktivität.
Hierfür gibt es vielleicht auch Grenzen, über die man diskutieren kann, diese sind aber nicht gleichzusetzen mit den Grenzen des Ressourcenverbrauchs.“
Busch sieht das Problem in der Wachstumsdebatte darin, dass …
„viele Diskutierende zwischen Wirtschaftswachstum einerseits und Ressourcenverbrauch andererseits […] einen direkten, mehr oder weniger proportionalen Zusammenhang unterstellen und folglich von der Begrenzung der Ressourcen unvermittelt auf Grenzen des Wirtschaftswachstums schließen.“
Doch so einfach ist die Sache nicht. Denn bei diesem gedanklichen „Kurzschluss“ werden mehrere Aspekte außer Acht gelassen:
Zum einen kommt es durch ständige Innovationen in der Produktion zu einer Verringerung des Ressourcen-Verbrauchs.
Es können also tendenziell bei gleichem oder sogar abnehmenden Ressourcen-Einsatz mehr Produkte hergestellt werden.
Zum anderen findet bei der Transformation von der Industrie- zur Dienstleistungs- zur Wissensgesellschaft eine strukturelle und qualitative Änderung der Volkswirtschaft statt.
So dürfte sich beispielsweise der Ressourcen-Verbrauch großer Dienstleistungsunternehmen in einem überschaubaren Rahmen bewegen. Ihr Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt hingegen durchaus nennenswert sein.
Als Beleg für die qualitative Änderung des Wirtschaftswachstums lässt sich die Entwicklung des Rohstoffverbrauchs in der Bundesrepublik Deutschland heranziehen:
Dieser geht seit 1978 jährlich um rund 1,4 Prozent zurück, während das Bruttoinlandsprodukt preisbereinigt um rund 2 Prozent wächst.
Daraus folgert Ulrich Busch:
„Wirtschaftswachstum darf daher weder mit einem zunehmenden Ressourcenverbrauch noch mit einer Zunahme der Produktion materieller Güter gleichgesetzt werden. Folglich auch nicht per se mit steigender Umweltbelastung und Zerstörung der Natur. „
Mythos 5: Unternehmer bereichern sich auf Kosten ihrer Angestellten
Gibt es Unternehmen, die ihren Arbeitnehmern Dumpinglöhne zahlen? Löhne, von denen man kaum vernünftig leben kann, während die Unternehmer-Bosse dicke Karren fahren und in Saus und Braus leben?
Ja, sicher gibt es solche Unternehmen auch heute noch.
Doch daraus abzuleiten, dass sich grundsätzlich alle Unternehmer auf Kosten ihrer Angestellten bereichern, ist dann doch ein wenig zu viel der Gewerkschaftspropaganda.
Versetzen wir uns einmal in die Rolle des Unternehmers:
Nur wenn der Umsatz die Gesamtkosten – und Löhne sind meist der größte Teil davon – übersteigt, macht das Unternehmen Gewinn. Und nur Unternehmen, die Gewinn machen, können auf Dauer bestehen und damit Arbeitsplätze schaffen beziehungsweise sichern.
Angestellte müssen mit ihrer Arbeitskraft zwangsläufig mehr Wert generieren als sie mit ihrem Gehalt vergütet bekommen. Sie müssen sich quasi „unter Wert“ verkaufen.
Das mag ungerecht klingen.
Aber andernfalls kann das Unternehmen keinen Gewinn erzielen, aus dem sich letztlich der Unternehmer selbst bezahlt.
Und warum sollte jemand ein Unternehmen betreiben und darin Leute beschäftigen, wenn sich dies am Ende des Monats für ihn oder sie nicht auszahlt?
Mythos 6: Zins und Zinseszins sind moralisch verwerflich
Der Vorwurf der Zinskritiker: Zins und Zinseszins sorgen für ein Auseinanderdriften der Gesellschaft, weil die Reichen dadurch immer reicher werden und die Ungleichheit zunimmt (siehe Mythos 2).
Doch wie funktioniert der Zinseszinseffekt überhaupt?
Der Zinseszinseffekt bewirkt, dass man mit Kapitalgewinnen, die man wieder anlegt (re-investiert), weitere Kapitalgewinne erzielen kann. Das auf diesem Weg gebildete Vermögen wächst anfangs langsam und dann mit jedem weiteren Jahr immer schneller.
Das Prinzip gleicht einer Schneekugel, die man durch den Schnee wälzt.
Ausgehend von einem faustgroßen Schneeball wächst die Kugel anfangs nur langsam, wird dann aber von Umdrehung zu Umdrehung immer schneller größer.
Entscheidend für diesen Prozess ist allerdings, dass der Schnee hängen bleibt.
Denn der Zinseszinseffekt tritt nur ein, wenn die Kapitalgewinne nicht entnommen, sondern stets wiederangelegt werden.
Wer so vorgeht, lässt sein Geld sprichwörtlich für sich arbeiten.
Und an dieser Idee scheiden sich die Geister. Während es für die einen der ultimative Wunschtraum ist, halten andere diese Vorstellung für moralisch verwerflich.
Ehrlich gesagt weiß ich nicht, was am Zinseszinseffekt moralisch verwerflich sein soll.
Zumindest solange man sich über folgenden Standpunkt einig ist:
Wer Geld verleiht, sollte als Gegenleistung Zinsen von demjenigen verlangen dürfen, der sich das Geld leiht.
Was er mit den Zinsgewinnen anfängt, sollte jedem Anleger selbst überlassen bleiben. Der eine gibt es aus, der andere legt es eben wieder an.
Wäre ein Zinsverbot und damit die Abschaffung des Zinseszinseffekts tatsächlich ein geeignetes Mittel, um die Schere zwischen Arm und Reich zu schließen?
Wohl kaum.
Denn wer wollte dann noch Kredite vergeben? Ohne Kredite – genauer: ohne Geldschöpfung durch die Banken – käme aber das Wirtschaftswachstum zum Erliegen.
Weil Unternehmen ohne Fremdkapital weniger investieren und damit deutlich langsamer (wenn überhaupt) wachsen könnten.
Es wäre ganz sicher einfacher, durch steuerliche Maßnahmen die gewünschte Spanne zwischen Arm und Reich herzustellen …
Mythos 7: An der Börse können Kleinanleger nur verlieren
Auch wenn du bereits schlechte Erfahrungen mit Aktien gemacht haben solltest: Die Börse wurde nicht erfunden, um ahnungslose Kleinanleger über den Tisch zu ziehen.
Trotzdem steckt in diesem Mythos ein Fünkchen Wahrheit.
Denn es kommt ganz darauf an, wie man als Privatanleger das Thema Wertpapier-Investments angeht.
Versucht man sich an aktiven Anlagestrategien, wie zum Beispiel dem Handeln von Einzelaktien, ist die Wahrscheinlichkeit, dabei zu verlieren, sehr hoch.
Setzt man hingegen auf passive Anlagestrategien, können auch Kleinanleger sehr wohl an der Börse gutes Geld verdienen und den Wert ihrer Investitionen langfristig steigern.
Die durchschnittliche Realrendite des weltweiten Aktienmarktes betrug in den letzten 200 Jahren etwa 6 Prozent pro Jahr. Diese Angabe ist bereits inflationsbereinigt, also ein echter Wertzuwachs.
Durch die Investition in börsengehandelten Indexfonds (ETFs) lässt sich auf unkomplizierte Weise an der langfristigen Durchschnittsrendite des Aktienmarktes teilhaben.
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