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Corona-Krise: Jetzt Aktien kaufen?

Letzte Aktualisierung
22. März 2020

Die gegenwärtige Coronavirus-Pandemie betrifft mich gleich auf zweierlei Weise:

Auf der einen Seite als Arzt, auf der anderen als Investor.

Ich habe das Geschehen der letzten Wochen aufmerksam verfolgt und mir ein paar Gedanken dazu gemacht, die ich gerne teilen möchte.

In diesem Blogartikel versuche ich eine vorsichtige Einschätzung der Lage, sowohl was die medizinischen als auch die finanziellen Folgen (und Chancen!) der Corona-Krise anbelangt.

Zuerst zum medizinischen Teil:

Wie gefährlich ist das SARS-CoV-2 Virus wirklich?

Ich gebe zu: Ich habe sowohl das Ausmaß als auch die Folgen der Corona-Pandemie anfangs unterschätzt.

Vor etwa 10-14 Tagen noch war ich der Meinung – wie so viele andere auch -, dass der mediale Rummel, der seit Anfang des Jahres um dieses Virus veranstaltet wurde, maßlos übertrieben sei.

Covid-19 ist nichts anderes als eine Grippe und die Medien machen nur so ein Theater, weil das Ding eben neu ist und sich mit Apokalypse-Szenarien gut Auflage machen lässt bzw. online gut Clicks generieren lassen.

…so dachte ich.

Nun, offensichtlich verursacht das Corona-Virus mehr als eine „normale“ Grippewelle. Auch wenn die Zahlen dazu widersprüchlich sind, wie wir gleich sehen werden.

Die Situation in Europa – im Fokus: Italien

Meine Einschätzung der Corona-Pandemie hat sich in dem Moment geändert, als ich die ersten katastrophalen Berichte der ärztlichen Kollegen in Italien gelesen habe.

Insbesondere die Zustände in der (vergleichsweise) reichen Lombardei erinnern an Einsätze in Kriegs- oder Katastrophengebieten.

Die Intensivkapazitäten vieler italienischer Krankenhäuser sind erschöpft, womit sich die behandelten Ärzte zur Triage gezwungen sehen.

Dieses Verfahren wird zwangsläufig immer dann angewandt, wenn zu schnell zu viele Patienten auf zu wenig medizinisches Personal bzw. zu wenig apparative Einrichtungen trifft.

Genau das ist in Italien offensichtlich geschehen.

Im Rahmen der Triage müssen die Ärzte nun die Entscheidung treffen, welchem Patienten mit welchen Mitteln noch geholfen wird und wer sich mehr oder weniger selbst zum Sterben überlassen wird.

Mit anderen Worten:

Wer wird noch intubiert und darf im Intensivbett an ein Beatmungsgerät und wer wird zum Sterben auf den Gang geschoben …

Wie sich das für die Ärzte in Italien anfühlt, hat dieser Kollege auf Twitter sehr eindrucksvoll in einem mehrteiligen Thread beschrieben – und das bereits am 9. März(!).

Warum sterben so viele Menschen in Italien?

Diese Frage beschäftigt mich seit Wochen: Warum ist die Letalität der Corona-Kranken ausgerechnet in Italien so hoch?

Werden dort nur die schweren Fälle getestet, was die Quote verzerrt? Ist das italienische Gesundheitssystem so viel schlechter als bei uns?

Oder liegt es vor allem an der geringen Zahl der Intensivplätze?

Die Krankenhäuser in Deutschland halten die meisten Intensivbetten in ganz Europa vor: 29/100.000 Einwohner.

Zum Vergleich (bezogen auf 100.000 Einwohner):

  • Italien: 12,5

  • Frankreich: 11,6

  • Spanien: 9,7

  • UK: 6,6

  • Niederlande: 6,4

  • Europa (Durchschnitt): 11,5

Italien liegt hier also im europäischen Durchschnitt. Und scheint trotzdem eine deutlich höhere Letalität (Sterberate) zu haben als die meisten anderen Länder:

Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

Sie liegt (Stand: 20.03.2020) mehr als doppelt so hoch wie im Rest der Welt.

Und auch eklatant höher als die Sterberate der Influenza (Grippe), welche sich im Bereich von 0,1 bis 0,2 Prozent bewegt.

Die aktuelle Situation in Deutschland

Mit einer Sterberate von „nur“ 0,3 Prozent aller positiv auf Corona getesteten Menschen stehen wir vergleichsweise gut dar.

Sind wir Deutschen vielleicht immun gegen das Virus? Oder machen sich hier unsere höheren Kapazitäten im intensivmedizinischen Bereich bezahlt?

Ehrlich: ich weiß es nicht.

Man kann nur hoffen, dass dieser Trend anhält und sich unsere Krankenhäuser nicht in Kürze doch noch mit „italienischen Verhältnissen“ konfrontiert sehen.

Sicher ist allerdings, dass die Corona-Pandemie einen unermesslichen wirtschaftlichen Schaden anrichten wird oder bereits angerichtet hat.

Das Gebot der „sozialen Distanz“ sowie das faktische Berufsausübungsverbot hat vielen Selbständigen sowie kleineren und mittleren Betrieben bereits einen „Knacks versetzt“, von dem sich ganz sicher nicht alle wieder erholen werden.

Wie viel die von der Politik versprochenen „unbürokratischen“ Soforthilfen wert sein werden, wird sich in den nächsten Tagen und Wochen zeigen …

Auch unsere Anästhesie-Praxis muss zwangsläufig Kurzarbeit anmelden, da die Zahl der ambulant durchgeführten Operationen (die allermeisten davon sind aufschiebbar) aus nachvollziehbaren Gründen drastisch gesunken ist.

Die Alten: „Generation schmerzbefreit“!?

Interessanterweise sind es vor allem die jüngeren beziehungsweise nicht ganz so alten Patienten, die von sich aus ihre OP-Termine stornieren/verschieben und dies mit der aktuellen Lage begründen.

Wer hingegen weiterhin ungerührt in die Arztpraxen stiefelt, häufig wegen Bagatellen, sind Patienten aus der Generation 65+.

(Ich höre das auch von Kollegen aus anderen Fachrichtungen.)

Also genau die Risikogruppe, wegen der wir das ganze Theater der „sozialen Distanzierung“ überhaupt veranstalten!

Bis Ende letzter Woche konnte ich noch lustige Rentner-Grüppchen beobachten, die völlig ungerührt eng beieinander draußen im Cafe oder zu viert in einem Auto saßen.

Während wir unsere Kinder zuhause seit einer Woche einsperren müssen, um die Ausbreitung des Virus zu bremsen.

Ich weiß wirklich nicht, was die Alten umtreibt, die sich so verhalten.

Vermutlich müssen erst „die Marlies“, „die Hedwig“ oder „der Jupp“ unter der Erde liegen, damit den Ignoranten unter den Alten klar wird, um wen und was es hier eigentlich geht!

Aber zurück zum eigentlichen Thema …

Corona und der Einbruch der (Welt)Wirtschaft

Nicht nur Selbständige und KMUs, auch die Großunternehmen spüren die Auswirkungen der Krise und fahren ihre Produktion herunter.

Mit entsprechenden Auswirkungen auf die Aktienkurse (dem Stimmungsbarometer der globalen Wirtschaft).

Seit ihrem Höchststand vom 19. Februar entwickelten sich diese Indizes wie folgt (Stand: 20.03.2020):

  • S&P500: -32%

  • DAX: -35%

  • MSCI Emerging Markets: -27%

Das sind ganz schön happige Kurskorrekturen binnen nur weniger Wochen …

Womit wir beim Thema wären:

Soll man in der Corona-Krise Aktien kaufen?

Ich würde sagen: Unbedingt!

Denn die Chance, nach einem Crash bei „günstigen“ Kursen in den Aktienmarkt einzusteigen, kommt (vermutlich) so schnell nicht wieder.

Ob jetzt der ideale Zeitpunkt zum Einstieg ist, vermag ich nicht zu sagen.

Gut möglich ist, dass die Kurse in den nächsten Wochen und Monaten noch weiter fallen werden.

Ich erwarte das, ehrlich gesagt.

Weil ich glaube, dass die Corona-Pandemie das Zeug hat, eine ausgewachsene weltweite Rezession herbeiführen.

Ich weiß es aber nicht.

Vielleicht erholen sich die Kurse schon ab morgen wieder und spätestens Ende des Jahres sind die Verluste wieder aufgeholt.

Who knows!?

Anlagestrategie: Regel ist Regel

Ich halte mich in jedem Fall an meine (langfristige) Anlagestrategie und die sieht vor, dass bei einem Kursrückgang von mehr als 20% nachgekauft wird.

Genau das mache ich in den nächsten Tagen: Ich investiere einen (kleineren) fünfstelligen Betrag in meine Aktien-ETFs.

Im ersten Schritt.

Denn gehen die Kurse weiter runter (also um weitere 15-20 Prozentpunkte), schiebe ich noch einmal den gleichen Betrag nach.

Natürlich kann es sein, dass diese Investments zügig an Wert verlieren werden, weil der Boden bei den Kursen noch längst nicht erreicht ist.

Na und?

In jedem Fall werde ich mir so den „30%-Rabatt“ von letzter Woche sichern und deutlich günstiger ETF-Anteile einkaufen können als noch Mitte Februar.

Falls du dich fragst …

Woher ich in der Krise das Geld nehme?

Aus dem risikoarmen Teil meines Portfolios. Mit jeder Tranche, die ich jetzt im Crash in Aktien umschichte, erhöhe ich natürlich mein Risikolevel.

Andererseits ist das Risiko von Aktieninvestments nach ausgeprägten Korrekturen logischerweise niedriger als am Ende von Boomphasen.

Ich werde selbstverständlich auch nicht den den gesamten risikoarmen Teil meines Portfolios in Aktien umschichten …

Hinzu kommt: Ich habe als Arzt dankenswerter Weise einen weitestgehend Konjunktur unabhängigen Job.

Und gehöre zudem der Fachrichtung an, die in der Corona-Pandemie gerade besonders gefragt ist: Anästhesisten/Intensivmediziner.

Das ist natürlich Zufall.

Aber wer absehen kann, dass ihn diese Krise beruflich nicht „umbringen“ wird und über ausreichende liquide Mittel verfügt, sollte im aktuellen Börsengeschehen eine große Chance sehen!

Was mir Hoffnung macht

In den letzten Wochen haben erstaunlich (erfreulich) viele Leute meinen Kurs gebucht.

Zudem hörte ich davon, dass die Eröffnung eines Depots bei den großen Online-Brokern derzeit durchaus 4-6 Wochen in Anspruch nehmen kann.

Ich führe dies auf die mutmaßlich gestiegene Nachfrage zurück und nicht darauf, dass bei den Depotanbietern die halbe Belegschaft unter Quarantäne steht …

Diese beiden Entwicklungen zeigen mir jedenfalls, dass es doch einige Leute gibt, die das Prinzip verstanden haben. Und nur auf den richtigen Moment gewartet haben, um (endlich) in Aktien einzusteigen.

Sehr gut.

Was mir ebenfalls Hoffnung macht: Die Zahl der Coronavirus-Fälle scheint sich in Deutschland milder zu entwickeln als noch vor einer Woche befürchtet.

Es wäre unglaublich erlösend, wenn wir den Peak bald erreicht hätten, wir wieder unsere Wohnungen verlassen und alle nach vorne schauen könnten.

Ich fürchte allerdings, noch ist es nicht so weit.

Bis dahin wünsche ich uns allen: Lasst uns die Nerven behalten und vor allem gesund bleiben!

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Autor: Holger Grethe
Holger hat Zendepot Anfang 2013 gegründet und dort als einer der ersten deutschen Blogger regelmäßig über passives Investieren mit ETFs und weitere Finanzthemen informiert. Im Juni 2021 beschloss Holger, das Projekt Zendepot für sich abzuschließen, um sich auf sein Kerngeschäft, die eigene Praxis, zu konzentrieren. Die Beiträge von Holger können jedoch weiterhin im Zendepot-Blog abgerufen werden.
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