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Die Besteuerung von ETF Fonds ab 2018 (mit 6 Fallbeispielen)

Autor
Holger Grethe
Letzte Aktualisierung
20. Dez. 2019

Investieren in ETFs könnte so schön sein …

Wäre da nicht die Sache mit den Steuern.

Durch die im Jahr 2009 eingeführten Abgeltungsteuer sollte ja alles einfacher werden.

Was zumindest teilweise gelungen ist …

Doch schon neun Jahre später folgte die nächste Steuer-Reform für Investmentfonds.

Was sich seit 2018 an der Besteuerung von Fonds geändert hat, was geblieben ist und welche Auswirkungen das auf dein ETF-Depot hat, erfährst du in diesem Artikel.

(Anmerkung: die Änderungen der Besteuerung betreffen ETFs und klassische Investmentfonds gleichermaßen)

Disclaimer

Ich bin kein Steuerberater. Die hier vorgestellten Informationen basieren auf meiner Interpretation der steuerlichen Gesetzgebung als Privatanleger. Meine Ausführungen können fehlerhaft oder sogar falsch sein. Ich übernehme keine Haftung für Anlageentscheidungen, die auf Basis der hier aufgeführten Informationen getroffen wurden.

Bevor ich auf die gegenwärtige und zukünftige Besteuerung von ETFs eingehe, zuerst ein paar einführende Worte zur …

Abgeltungsteuer auf Kapitalerträge

Die aus einer Geldanlage resultierenden Kapitalerträge wie Dividenden, Kursgewinne und Zinsen sind einkommenssteuerpflichtig.

Die Einkommenssteuerpflicht ist an den Wohnsitz gebunden und gilt auch bei Kapitaleinkünften, die irgendwo in der Welt erzielt wurden.

Um die Besteuerung von Kapitalerträgen zu vereinfachen, gilt in Deutschland seit 2009 die Abgeltungsteuer.

Dabei handelt es sich um eine sogenannte Quellensteuer, da diese direkt an der Quelle der Einkünfte erhoben und an das Finanzamt abgeführt wird.

Die Quelle der Kapitalerträge ist in der Regel die Depotbank (Online-Broker) des Anlegers.

Diese zieht die Abgeltungsteuer von allen Gewinnen ab, die mit Wertpapieren wie Aktien, Anleihen oder Fonds erzielt wurden.

Rechnet man den Solidaritätszuschlag (und die gegebenenfalls zu zahlende Kirchensteuer) hinzu, beträgt die Abgeltungsteuer 26,38 Prozent, die Kirchensteuer eingerechnet etwa 28 Prozent.

Freibeträge und Günstigerprüfung

Sofern man seiner Depotbank einen Freistellungsauftrag für Kapitalerträge erteilt hat, werden Einkünfte bis zu dieser Höhe nicht mit der Abgeltungsteuer belastet.

Der Sparerpauschbetrag beträgt 801 € beziehungsweise 1.602 € bei Verheirateten.

Liegt der persönliche Steuersatz unter 25 Prozent, kann die Abgeltungsteuerlast durch eine Günstigerprüfung auf diesen niedrigeren Steuersatz reduziert werden.

Zuviel vom depotführenden Kreditinstitut einbehaltene Abgeltungsteuer kann im Rahmen der Steuererklärung zurückgefordert werden.

Die Einführung der Abgeltungsteuer hatte vor allem ein Ziel:

Die Veranlagung, also die Angabe der Kapitaleinkünfte in der Steuererklärung, überflüssig zu machen.

Gute Idee, klappt aber nicht immer.

Um das aktuell gültige Prozedere der Fondsbesteuerung besser verstehen zu können, werfen wir einen kurzen Blick zurück …

Die Besteuerung von Fonds zwischen 2009 und 2017

Bei ausschüttenden ETFs griff das Prinzip der Abgeltungsteuer problemlos.

Auch thesaurierende ETFs mit Fondsdomizil in Deutschland stellten in dieser Hinsicht kein Problem dar.

Die auf Fondsebene wieder angelegten (thesaurierten) Dividenden und Zinsen galten für das Finanzamt als „ausschüttungsgleiche Erträge“.

Auf diese wurde ebenfalls Abgeltungsteuer erhoben, welche die Fondsgesellschaft abführte.

Problemfall: Ausländisch thesaurierender ETF

Auf Kapitaleinkünfte, die im Ausland erwirtschaftet wurden und dort verblieben, hatte das Finanzamt allerdings keinen direkten Zugriff.

Denn ausländische Fonds können schlecht zur Erhebung einer deutschen Steuer verpflichtet werden.

Bei thesaurierenden Fonds mit ausländischem Fondsdomizil erfolgte der Zugriff des Finanzamts daher indirekt.

Die Steuer auf die ausschüttungsgleichen Erträge wurde vom Verrechnungskonto des Anlegers eingezogen. Also letztlich aus anderen Einkünften bezahlt.

Nicht zuletzt war und ist jeder Anleger dazu verpflichtet, seine im Ausland erzielten Kapitaleinkünfte in der Steuererklärung anzugeben.

Womit wir wieder beim aufwändigeren Veranlagungsverfahren wären, was ja durch die Abgeltungsteuer überflüssig gemacht werden sollte.

Mit ausländischen thesaurierenden Fonds gingen Anleger beim Verkauf zudem immer das Risiko einer Doppelbesteuerung ein.

In jedem Fall sorgten diese ausländischen Fonds für einen erhöhten bürokratischen Aufwand …

Die reformierte Besteuerung von Fonds (mit Wirkung ab 2018)

Das Bundesfinanzministerium (BMF) sah die Notwendigkeit der beschlossenen Reform unter anderem in diesem Punkt:

Das geltende Investmentsteuerrecht ist von einer hohen Komplexität geprägt, die selbst für viele Steuerberater und Finanzbeamte nicht mehr zu überblicken ist.

Hinweis: Die in diesem Artikel zitierte Publikation des BMF aus dem Jahr 2016 wird bedauerlicherweise nicht mehr auf der Website des Ministeriums verlinkt.

Wie heißt es so schön? Einsicht ist der erste Weg zur Besserung …

Die neuen Regelungen

Die Besteuerungsregelungen werden so ausgestaltet, dass sie weitestgehend ohne Mitwirkung der Investmentfonds umsetzbar sind […] Es ist daher zukünftig ohne steuerliche Nachteile möglich, in ausländische Investmentfonds zu investieren, die keine deutschen Besteuerungsgrundlagen ermitteln.

Mit dem neuen Investmentsteuergesetz sind für die Besteuerung nur noch vier Kennzahlen erforderlich :

  • 1.

    Die Höhe der Ausschüttung

  • 2.

    Der Wert des Fondsanteils am Jahresanfang

  • 3.

    Der Wert des Fondsanteils am Jahresende

  • 4.

    Der Fondstyp

Bei den Fondstypen werden im Gesetz Aktien-, Misch-, Immobilien- und sonstige Investmentfonds unterschieden:

Investiert ein Publikums-Investmentfonds überwiegend, d. h. zu mindestens 51 % seines Vermögens, in Aktien, gilt er als Aktien-Investmentfonds. Beträgt die Aktienquote mindestens 25 %, gilt er als Misch-Investmentfonds.

Welche Rolle diese Unterscheidung spielt, werden wir gleich noch sehen. Betrachten wir zuerst die …

Besteuerung auf Fondsebene

Das Bundesfinanzministerium erklärt diesbezüglich:

Die Steuer beträgt 15 % der Bruttodividenden oder der Immobilienerträge. Sie entspricht damit dem in Deutschland geltenden Körperschaftsteuersatz und zugleich dem in den meisten Doppelbesteuerungsabkommen festgelegten Quellensteuersatz für Dividenden […] Damit werden inländische und ausländische Publikums-Investmentfonds gleich besteuert, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden.

Seit 2018 müssen inländische Fondsgesellschaften also 15 Prozent ihrer Einahmen aus Dividenden und Immobilien versteuern.

Sie werden dadurch Fonds mit Auslandsdomizil gleich gestellt, die Quellensteuern auf Dividenden in anderen Ländern abführen müssen.

Was passiert mit sonstigen Erträgen?

Alle anderen Ertragsarten – z. B. Zinsen, Gewinne aus der Veräußerung von Aktien und anderen Wertpapieren, Erträge aus Termingeschäften – sind auf Fondsebene steuerfrei.

Steuerfrei klingt immer gut, oder?

Doch bevor wir den Morgen vor dem Abend loben, schauen wir auf die …

Besteuerung des Anlegers

Ausschüttungen eines Publikums-Investmentfonds sind beim Anleger grundsätzlich in voller Höhe steuerpflichtig. Sie unterliegen bei Privatanlegern der Abgeltungsteuer mit einem Steuersatz von 25 %.

Aha. In diesem Punkt hat sich also nichts geändert.

Bei den Ausschüttungen greift nach wie vor die Abgeltungsteuer.

Dass Ausschüttungen „grundsätzlich in voller Höhe steuerpflichtig“ seien, ist allerdings eine etwas missverständliche Formulierung.

Denn es gibt die sogenannte …

Teilfreistellung auf Anlegerebene

Als Ausgleich für die Besteuerung der Dividenden und der Immobilienerträge auf Ebene des Investmentfonds wird ein Teil der Erträge, die ein Anleger aus dem Investmentfonds bezieht, von der Besteuerung freigestellt (sogenannte Teilfreistellung).

Die Abgeltungsteuer bezieht sich demnach nicht auf die volle Höhe der ausgeschütteten Erträge, sondern reduziert sich in Abhängigkeit des Fondstyps:

  • um 30 Prozent bei Aktien-Investmenfonds und

  • um 15 Prozent bei Misch-Investmentfonds.

Die unterschiedliche Höhe der Teilfreistellung berücksichtigt die unterschiedliche Höhe der Vorbelastung auf Fondsebene.

Die oben genannten Werte gelten für Privatanleger. Bei Körperschaften und betrieblichen Anlegern greifen andere Teilfreistellungssätze, die ich an dieser Stelle ausklammere.

Fassen wir das bisher Gesagte noch einmal in einem Satz zusammen:

Auf ausgeschüttete Kapitalerträge wird weiterhin Abgeltungsteuer erhoben, seit 2018 reduziert um einen fondsabhängigen Teilfreistellungsbetrag.

Soweit so unspektakulär.

Interessant werden nun die Fälle, in denen Fonds keine oder nur eine geringe Ausschüttung vornehmen.

Vorhang auf für …

Die Vorabpauschale

Mit der neu eingeführten Vorabpauschale hat das Bundesfinanzministerium (BMF) folgendes im Sinn:

Diese pauschale Bemessungsgrundlage tritt im neuen System an die Stelle der bisherigen ausschüttungsgleichen Erträge. Ohne die Einführung der Vorabpauschale könnten Investmentfonds als Steuerstundungsmodelle genutzt werden.

Während ein Steuerpflichtiger, der direkt in Aktien und verzinsliche Wertpapiere oder in Immobilien investiert, jedes Jahr die ihm zufließenden Dividenden, Zinsen, Mieten und Pachten versteuern muss, könnte man mithilfe von Investmentfonds die Besteuerung zeitlich unbegrenzt vermeiden.

Steuervermeidung oder auch nur Steuerstundung ist natürlich nicht im Sinne des Erfinders, sprich: des Staates.

Wann genau wird die sogenannte Vorabpauschale fällig?

Die Vorabpauschale greift grundsätzlich immer dann, wenn im Veranlagungszeitraum die Ausschüttungen des Investmentfonds die Höhe einer risikolosen Marktverzinsung, den sogenannten Basisertrag, nicht erreichen.

Diesen Satz musste ich mehrmals lesen, um ihn gedanklich zu durchdringen.

Das Ganze noch einmal im Klartext:

Am Ende eines Kalenderjahres (Veranlagungszeitraum) werden zwei Fragen gestellt:

  • 1.

    Welchen Betrag hat ein Fonds ausgeschüttet?

  • 2.

    Ist dieser Ausschüttungsbetrag größer oder kleiner als der Basisertrag?

Und so wird der Basisertrag (die risikolose Marktverzinsung) ermittelt:

Festlegung des Basisertrags

Als Bemessungsgrundlage dient ein der von der Bundesbank festgelegter Basiszinsatz. Dieser wird aus der Höhe der langfristig erzielbaren Rendite öffentlicher Anleihen abgeleitet.

Für das Jahr 2019 beträgt der Basiszinssatz 0,52 %.

Berücksichtigung der Kosten

Fairerweise wird bei der Berechnung der Vorabpauschale berücksichtigt, dass Fonds-Anlegern auch Kosten entstehen:

Die von der Fondsgesellschaft jährlich erhobene Verwaltungsgebühr.

Aus diesem Grund wird zur Berechnung der Vorabpauschale der Basiszins um den durchschnittlichen Kostenanteil von 30% gemindert. Mithin erfolgt der Ansatz von 70% des Basiszinssatzes.

Der im Jahr 2019 geltenden Basiszinssatz von 0,52% verringert sich dadurch also auf 0,36%.

Obergrenze Wertzuwachs

Das Finanzministerium sagt:

Die Vorabpauschale ist auf den Wertzuwachs des Investmentfondsanteils innerhalb des Kalenderjahres begrenzt.

Es sollen also keine Wertzuwächse besteuert werden, die es in Wahrheit gar nicht gegeben hat.

Das ganze Konzept ist ziemlich verwirrend und dürfte sich nur den allerwenigsten Anlegern auf den ersten Blick erschließen.

Aus diesem Grund habe ich eine einfache Schritt-für-Schritt-Anleitung erstellt, anhand derer du die Besteuerung deiner Fondserträge nachvollziehen kannst:

Anleitung: Berechnung der Steuerlast in vier Schritten
  • 1.

    Schritt: Berechnung des Basisertrags

  • 2.

    Schritt: Prüfen, ob der Basisertrag den realen Wertzuwachs übersteigt (falls ja, bildet der reale Wertzuwachs die Obergrenze für den Basisertrag)

  • 3.

    Schritt: Berechnung der Vorabpauschale (Abzug der Ausschüttungen – sofern vorhanden – vom Basisertrag)

  • 4.

    Schritt: Berechnung der Steuerlast
    Wenn Vorabpauschale negativ –> Besteuerung der Ausschüttung (abzüglich Teilfreistellung)
    Wenn Vorabpauschale positiv –> Besteuerung der Vorabpauschale (abzüglich Teilfreistellung)

Um wirklich zu verstehen, wie das Ganze in der Praxis funktioniert, spielen wir mal eine Reihe von Beispielen durch:

6 Szenarien für die Besteuerung von ETF Fonds (seit 2018)

Allen Beispielen liegt ausschließlich der Fondstyp Aktien zugrunde. Wer tatsächlich in Mischfonds investiert, hat definitiv andere Probleme als die Reform der Besteuerung …

Szenario 1: Wertzuwachs und Ausschüttung größer als Basisertrag

Die Ausgangswerte:

  • Höhe der Ausschüttung: 2.000€

  • Wert der Fondsanteile am Jahresanfang: 100.000€

  • Wert der Fondsanteile am Jahresende: 107.000€

  • Wertzuwachs: 7.000€

Szenario 1: Berechnung der Besteuerung

Schritt 1: Berechnung des Basisertrags
100.000€ (Wert der Fondsanteile zu Jahresbeginn) * 0,52% (Basiszinssatz 2019) * 0,7 (Kostenpauschale) =364€

Schritt 2: Prüfen, ob Basisertrag den realen Wertzuwachs übersteigt
364€ (Basisertrag) > 7.000€ (realer Wertzuwachs) = nein

Schritt 3: Berechnung der Vorabpauschale
364€ (Basisertrag) – 2.000€ (Ausschüttungen) = kleiner Null

Zitat BMF:

Die tatsächlichen Ausschüttungen mindern die Vorabpauschale im Veranlagungszeitraum gegebenenfalls bis auf null.

Also kommt das Prinzip der Vorabpauschale hier nicht zum Tragen.

Schritt 4: Berechnung der Steuerlast
2.000€ (Ausschüttung) * 0,7 (Teilfreistellung) * 26,38% (Abgeltungssteuer inkl. Soli) = 369,32€

Soweit alles klar?

Ok, gehen wir zum nächsten Fall …

Szenario 2: Wertzuwachs und Ausschüttung kleiner als Basisertrag

Die Ausgangswerte:

  • Höhe der Ausschüttung: 200€

  • Wert der Fondsanteile am Jahresanfang: 100.000€

  • Wert der Fondsanteile am Jahresende: 107.000€

  • Wertzuwachs: 7.000€

Szenario 2: Berechnung der Besteuerung

Schritt 1: Berechnung des Basisertrags
100.000€ (Wert der Fondsanteile zu Jahresbeginn) * 0,52% (Basiszinssatz 2019) * 0,7 (Kostenpauschale) =364€

Schritt 2: Prüfen, ob Basisertrag den realen Wertzuwachs übersteigt
364€ (Basisertrag) > 7.000€ (realer Wertzuwachs) = nein

Schritt 3: Berechnung der Vorabpauschale
364€ (Basisertrag) – 200€ (Ausschüttungen) = 164€

Schritt 4: Berechnung der Steuerlast
164€ (Vorabpauschale) * 0,7 (Teilfreistellung) * 26,38% (Abgeltungssteuer inkl. Soli) = 30,28€

Sehen wir uns zur Abwechslung das Beispiel eines thesaurierenden Fonds an …

Szenario 3: Wertzuwachs (oder Stagnation) und Thesaurierung der Erträge

Die Ausgangswerte:

  • Höhe der thesaurierten Erträge: 2.000€

  • Wert der Fondsanteile am Jahresanfang: 100.000€

  • Wert der Fondsanteile am Jahresende: 107.000€

  • Wertzuwachs: 7.000€

Szenario 3: Berechnung der Besteuerung

Schritt 1: Berechnung des Basisertrags
100.000€ (Wert der Fondsanteile zu Jahresbeginn) * 0,52% (Basiszinssatz 2019) * 0,7 (Kostenpauschale) =364€

Schritt 2: Prüfen, ob Basisertrag den realen Wertzuwachs übersteigt
364€ (Basisertrag) > 7.000€ (realer Wertzuwachs) = nein

Schritt 3: Berechnung der Vorabpauschale
364€ (Basisertrag) – 0€ (keine Ausschüttungen) = 364€

Schritt 4: Berechnung der Steuerlast
364€ (Vorabpauschale) * 0,7 (Teilfreistellung) * 26,38% (Abgeltungssteuer inkl. Soli) = 67,22€

Hast du das erstes Szenario noch im Kopf?

Das sollte bei den paar Zahlen ja nun wirklich kein Problem sein!

Spaß beiseite …Bereits an dieser Stelle lässt sich eines feststellen:

Bei gleichen Ausgangswerten fällt die Steuerlast des thesaurierenden Fonds (Szenario 3) mit 67,22€ deutlich günstiger aus als die Steuerlast des ausschüttenden Fonds (Szenario 1) mit 369,32€.

Damit dürften sich Inhaber von thesaurierenden Fonds in Zukunft über einen gewissen Steuerstundungs-Effekt freuen können.

Zumindest bei den jetzigen Rahmenbedingungen.

Im nächsten Fallbeispiel wird deutlich, welche Rolle der tatsächliche Wertzuwachs bei der Berechnung der Vorabpauschale spielt:

Szenario 4: Stagnation und Ausschüttung kleiner als Basisertrag

Die Ausgangswerte:

  • Höhe der Ausschüttung: 100€

  • Wert der Fondsanteile am Jahresanfang: 100.000€

  • Wert der Fondsanteile am Jahresende: 100.200€

  • Wertzuwachs: 200€

Szenario 4: Berechnung der Besteuerung

Schritt 1: Berechnung des Basisertrags
100.000€ (Wert der Fondsanteile zu Jahresbeginn) * 0,52% (Basiszinssatz 2019) * 0,7 (Kostenpauschale) = 364€

Schritt 2: Prüfen, ob Basisertrag den realen Wertzuwachs übersteigt
364€ (Basisertrag) > 200€ (realer Wertzuwachs) = ja

Schritt 3: Berechnung der Vorabpauschale
200€ („gekappter“ Basisertrag) – 100€ (Ausschüttungen) = 100€

Schritt 4: Berechnung der Steuerlast
100€ (Vorabpauschale) * 0,7 (Teilfreistellung) * 26,38% (Abgeltungssteuer inkl. Soli) = 18,47€

Vielleicht hast du dich bereits gefragt, was im Fall von Wertverlusten passiert. Wird dann etwa auch diese ominöse Vorabpauschale erhoben?

Schauen wir uns schnell das passende Fallbeispiel dazu an:

Szenario 5: Wertverlust und Ausschüttung

Die Ausgangswerte:

  • Höhe der Ausschüttung: 2.000€

  • Wert der Fondsanteile am Jahresanfang: 100.000€

  • Wert der Fondsanteile am Jahresende: 90.000€

  • Wertzuwachs: -10.000€

Szenario 5: Berechnung der Besteuerung

Schritt 1: Berechnung des Basisertrags
100.000€ (Wert der Fondsanteile zu Jahresbeginn) * 0,52% (Basiszinssatz 2019) * 0,7 (Kostenpauschale) =364€

Schritt 2: Prüfen, ob Basisertrag den realen Wertzuwachs übersteigt
364€ (Basisertrag) > -10.000€ (realer Wertzuwachs) = ja

Schritt 3: Berechnung der Vorabpauschale
0€ („gekappter“ Basisertrag) – 2.000€ (Ausschüttungen) = kleiner Null

Schritt 4: Berechnung der Steuerlast
2.000€ (Ausschüttung) * 0,7 (Teilfreistellung) * 26,38% (Abgeltungssteuer inkl. Soli) = 369,32€

Und das ganze noch einmal für die thesaurierende Variante …

Szenario 6: Wertverlust und Thesaurierung

Die Ausgangswerte:

  • Höhe der thesaurierten Erträge: 2.000€

  • Wert der Fondsanteile am Jahresanfang: 100.000€

  • Wert der Fondsanteile am Jahresende: 90.000€

  • Wertzuwachs: -10.000€

Szenario 6: Berechnung der Besteuerung

Schritt 1: Berechnung des Basisertrags
100.000€ (Wert der Fondsanteile zu Jahresbeginn) * 0,52% (Basiszinssatz 2019) * 0,7 (Kostenpauschale) =364€

Schritt 2: Prüfen, ob Basisertrag den realen Wertzuwachs übersteigt
364€ (Basisertrag) > -10.000€ (realer Wertzuwachs) = ja

Schritt 3: Berechnung der Vorabpauschale
0€ („gekappter“ Basisertrag) – 0€ (keine Ausschüttungen) = Null

Schritt 4: Berechnung der Steuerlast
Kurz und knapp: hier passiert gar nix!

Keine Ausschüttung (ist schließlich thesaurierend!) und mangels Wertzuwachs auch kein Basisertrag. Damit keine Steuer. Ganz einfach.

Drängt sich folgende Frage auf:

Was passiert beim Verkauf?

Das Bundesfinanzministeriuem (BMF) stellt diesbezüglich klar:

Während der Haltedauer beim Anleger versteuerte Vorabpauschalen werden vom Veräußerungs- beziehungsweise Rückgabegewinn im Rahmen der Schlussbesteuerung abgezogen.

Klingt einerseits nach einem fairen Deal.

Andererseits aber auch danach, als läge die Beweislast für bereits versteuerte Vorabpauschalen beim Anleger.

Womit es sich wohl auch in Zukunft empfiehlt, Steuererklärungen langfristig aufzuheben.
Was ja grundsätzlich keine allzu schlechte Idee ist …

Das BMF verspricht:

Hierdurch wird eine zutreffende Erfassung der tatsächlich über die Haltezeit vom Anleger erzielten Erträge und Wertzuwächse erreicht.

Wollen wir es hoffen …

Was ändert sich sonst noch?

Quellensteuern auf Fondsebene

Im Ausland erzielte Kapitalerträge (Dividenden) eines Fonds unterliegen der landesspezifischen Quellensteuer.

Die im Ausland abgeführte Quellensteuer konnten bisher auf die (deutsche) Abgeltungsteuer angerechnet werden.

Grundlage dafür waren bzw. sind entsprechenden Doppelbesteuerungs-Abkommen mit den einzelnen Ländern.

Und das hat sich nun durch die Reform der Fondsbesteuerung geändert:

Seit 2018 können Quellensteuern für Dividenden nicht mehr auf die Abgeltungsteuer angerechnet werden.

Bestandsschutz für alte Fonds-Anteile (vor 2009)

Bevor die Abgeltungssteuer im Jahr 2009 eingeführt wurde, haben sich viele Anleger noch ordentlich mit Fondsanteilen eingedeckt.

Weil für diese Anteile kein Wertzuwachs beim Verkauf versteuert werden muss(te).

Das sieht nach der Steuer-Reform für Investmentfonds nun anders aus.

Zitat BMF:

Investmentanteile, die vor dem Jahr 2009 angeschafft wurden, genießen bislang Bestandsschutz, d. h. ein etwaiger Veräußerungsgewinn ist steuerfrei. Dieser Bestandsschutz soll zeitlich dergestalt gekappt werden, dass nur noch Veräußerungen steuerfrei sind, die vor dem 1. Januar 2018 vorgenommen werden. Bei der Veräußerung ab dem Jahr 2018 ist der entstandene Wertzuwachs oder Verlust grundsätzlich steuerpflichtig.

Der damals zugesagte Bestandsschutz hält also nicht einmal 10 Jahre. Offensichtlich hat der Fiskus aber ein Herz für Kleinanleger, denn …

Tatsächlich besteuert wird jedoch erst dann, wenn die Gewinne aus der Veräußerung von Alt-Anteilen einen neu eingeführten Freibetrag in Höhe von 100.000 € übersteigen. Durch diesen hohen Freibetrag bleibt der bei Einführung der Abgeltungsteuer eingeräumte Bestandsschutz für Veräußerungsgewinne bei Alt-Anteilen im Ergebnis für die weit überwiegende Zahl aller Steuerpflichtigen erhalten.

Also alles halb so wild. Zumindest bis zu einer gewissen Depotgröße …

Fassen wir alle Änderungen der Steuer-Reform noch einmal zusammen:

Die Vor- und Nachteile des neuen Besteuerungsverfahrens

  • Unterhalb des Steuerfreibetrags von 801€ bzw. 1.602€ ändert sich nichts. Einkünfte aus Kapitalerträgen bleiben bis zu dieser Grenze steuerfrei.

  • Fondsgesellschaften müssen 15 Prozent ihrer Einahmen aus Dividenden und Immobilen pauschal versteuern.

  • Einnahmen aus anderen Ertragsarten, wie Zinsen, sind auf Fondsebene steuerfrei.

  • Auf Seiten des Anlegers werden Ausschüttungen nach wie vor mit der Abgeltungsteuer belegt.

  • Die Abgeltungsteuer reduziert sich in Abhängigkeit des Fondstyps jedoch um 30 Prozent bei Aktien-Investmentfonds und um 15 Prozent bei Misch-Investmentfonds.

  • Damit wird die steuerliche Vorbelastung auf Fondsebene berücksichtigt.

  • Schüttet ein Fonds keine oder nur geringe Beträge aus, findet eine Vorab-Besteuerung auf den im Veranlagungszeitraum erzielen Wertzuwachs statt.

  • Diese Vorab-Besteuerung orientiert sich am Basiszinsatz, der jährlich von der Bundesbank bestimmt wird.

  • Damit werden erstmalig Steuern auf Buchwert-Gewinne erhoben.

  • Trotzdem ist bei thesaurierenden Fonds mit einem gewissen Steuerstundungs-Effekt zu rechnen.

  • Dafür ist es in Zukunft unerheblich, ob sich das Fondsdomizil im Inland oder Ausland befindet.

  • Synthetisch replizierende ETFs mit Ertragsthesaurierung werden ihren physisch replizierenden Pendants gleichgestellt.

  • Damit gehen Steuervorteile für SWAP-basierte ETFs, die sich aus der Vermeidung ausschüttungsgleicher Erträge ergaben, verloren.

Hinweis: Vorabpauschalen müssen erstmalig in der Steuererklärung 2019 aufgeführt werden, da diese erst zum 1. Januar 2019 als zugeflossen gelten. Die Gesetzesänderung trat zum 1. Januar 2018 in Kraft, damit ist in der Steuererklärung 2018 keine Angabe von Vorabpauschalen notwendig.

Was soll man nun von der Steuer-Reform für Investmentfonds halten?

Meine Empfehlung

Grundsätzlich lautet mein Ratschlag beim Thema Steuern:

Nicht jammern, nicht aufregen, nicht lamentieren!

Ja, es kann sein, dass du nach der neuen Systematik unterm Strich (etwas) mehr Steuern auf Kapitalerträge zahlen musst.

Macht Investieren in ETFs deshalb jetzt weniger Sinn?

Natürlich nicht!

Ich halte es eh für groben Unfug, Anlageentscheidungen auf Basis der jeweiligen Steuergesetzgebung zu treffen.

Du siehst ja, wie schnell sich die Dinge hier ändern.

Am Ende des Tages ist und bleibt die Reform natürlich eine (versteckte) Steuererhöhung.

Wenn man es positiv sehen will: Die ETF-Auswahl wurde seitdem deutlich einfacher.

Wer thesaurierende Fonds (Indexfonds) bevorzugt, braucht sich in Zukunft nicht mehr den Kopf über das Fondsdomizil zu zerbrechen.

Und kann sich dazu noch über einen gewissen Steuerstundungs-Effekt freuen. Immerhin etwas …

ETF Steuern – Das Schlusswort

Ich kann gut verstehen, wenn das alles ziemlich abschreckend auf dich wirkt.

So schwingt in einigen Kommentaren sowie Mails, die mich zu dem Thema erreichen, die Frage mit:

Lohnt es sich angesichts dieses Steuerwahnsinns überhaupt (noch), in ETFs zu investieren?

Wenn es danach ginge, dann dürftest du konsequenterweise auch nicht einkaufen oder arbeiten gehen.

Wer steigt schon durch, bei welchen Produkten der volle und bei welchen der ermäßigte Mehrwertsteuersatz zur Anwendung kommt?

Ist dir klar, wie dein zu versteuerndes Einkommen berechnet wird, welche Steuersätze es gibt, in welche Tarifzonen sich der Einkommensteuertarif gliedert und wie die „kalte Progression“ funktioniert?

Ganz ehrlich, das ist alles so kompliziert …Lohnt es sich da überhaupt noch, arbeiten zu gehen?

Rhetorische Frage, ich weiß.

Deshalb lautet mein Rat …

Lass dich von den Irrungen und Wirrungen des deutschen Steuerrechts bitte nicht davon abhalten, in ETFs zu investieren und damit in Eigenregie Vermögen aufzubauen.

Aus diesem Artikel leitet sich im Grunde keinerlei Handlungsbedarf ab. Auch ich werde nach der Reform nicht anders investieren als vorher.

Praktisch gesehen reicht es, wenn du einmal im Jahr die Zahlen aus der Jahressteuerbescheinigung (bekommst du von deiner Depotbank) in deine Steuererklärung (Anlage KAP) überträgst beziehungsweise sie von deinem Steuerberater übertragen lässt.

Archiviere zusätzlich alle Kauf- und Verkaufsbelege für deine Fondsanteile und du solltest auf der sicheren Seite sein.

Ich habe den Artikel mit der Intention geschrieben, die Besteuerung von ETFs und Investmentfonds für interessierte Leser verständlich(er) zu machen.

Es ist aber ganz sicher kein Beinbruch, wenn du das Thema lieber ausblendest.

Denn eines ist sicher: In ein paar Jahren ist eh wieder alles anders.

Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Reinhold Niebuhr

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Autor: Holger Grethe
Holger hat Zendepot Anfang 2013 gegründet und dort als einer der ersten deutschen Blogger regelmäßig über passives Investieren mit ETFs und weitere Finanzthemen informiert. Im Juni 2021 beschloss Holger, das Projekt Zendepot für sich abzuschließen, um sich auf sein Kerngeschäft, die eigene Praxis, zu konzentrieren. Die Beiträge von Holger können jedoch weiterhin im Zendepot-Blog abgerufen werden.
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