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Zeit ist Geld: Stimmt das wirklich?

Autor
Holger Grethe
Letzte Aktualisierung
3. Okt. 2013

Ein Blick auf unser Bankkonto genügt und wir wissen, wie viel Geld wir haben.

Wir haben auch eine relativ genaue Vorstellung davon, was dieses Geld wert ist.

Was aber ist der Wert der Zeit?

Gilt wirklich Zeit ist Geld, wie es Benjamin Franklin einst formulierte?

„Wenn Zeit Geld ist – wie kommt es, dass so viele Wohlhabende unter uns immer weniger Zeit haben?“

… fragt hingegen der Finanzautor Carl Richards.

Gehen wir der Sache auf den Grund …

Dinge vs. Erfahrungen

In seinem Buch Die Tretmühlen des Glücks (*) fasst der Schweizer Ökonom Mathias Binswanger die Ergebnisse verschiedener Glücksstudien zusammen und zeigt auf, was Menschen unterschiedlichster Kulturen glücklich macht.

Von materiellen Dingen wie Villa, Porsche und Whirlpool sollten wir uns keine anhaltenden Glückszustände versprechen, denn der zügig einsetzende Gewöhnungseffekt lässt jede Steigerung unseres Lebensstandards schnell zur Normalität werden.

Es sind Erfahrungen, die Menschen glücklich machen. Zu den beliebtesten Aktivitäten gehören Sex, Zusammensein mit Freunden, gemeinsames Essen und Entspannung.

Nichts also, wofür man unbedingt viel Geld bräuchte.

Wohl aber Zeit.

Festhalten oder Loslassen?

Warum halten die meisten Menschen dann weiter an der Vorstellung fest, mehr Geld sei der Schlüssel zum großen Glück?

Festhalten ist ein gutes Stichwort, wenn man nach dem Grund sucht, warum Geld im direkten Vergleich mit freier Zeit häufig die größere Anziehungskraft ausübt. Geld lässt sich festhalten, genau wie die Dinge, die wir davon kaufen können.

Die Zeit hingegen rinnt uns durch die Finger, ohne dass wir sie zu packen kriegen. Im besten Fall bleiben schöne Erinnerungen. Doch davon „kann man sich ja nichts kaufen“…

Ende offen

Es gibt noch einen weiteren Grund, warum wir der Zeit eher wenig Bedeutung beimessen. Weil wir glauben oder vielmehr hoffen, noch genug Zeit vor uns zu haben.

Wir wissen, dass unsere Lebenszeit zwar grundsätzlich limitiert ist, aber halten sie gerade in jungen Jahren nicht für ein knappes Gut. Die Statistiken scheinen uns Recht zu geben, denn die mittlere Lebenserwartung der Bevölkerung steigt seit Jahrzehnten kontinuierlich.

Wer sich für den „Kontostand“ seiner Lebenszeit interessiert, braucht nur einen Blick auf die Sterbetafel des Statistischen Bundesamts zu werfen. Eine durchschnittliche Lebenserwartung vorausgesetzt, habe ich – Stand heute – ein „Restguthaben“ von etwa 15.000 Tagen, von dem alle 24h ein Tag abgebucht wird.

In Stunden gerechnet: ich habe noch 360.000 Stunden vor mir. Bei meinem Schlafbedürfnis von gut 8 Stunden pro Nacht werde ich wohl immerhin 240.000 davon in wachem Zustand mitbekommen.

Unfassbar viel zeit also, oder etwa nicht?

Zeit für Erfahrungen

Das Problem ist: ich weiß nicht, ob dieser Kontostand wirklich stimmt. Vielleicht liegen ja noch viel mehr Tage und Stunden vor mir?

Vielleicht aber auch viel weniger.

Welchen Wert bekäme die Zeit, wenn ich wüßte, dass ich nur noch ein Jahr zu leben hätte? Nur noch einen Monat? Nur noch einen Tag?

Man will gar nicht darüber nachdenken…

Genau das sollten wir aber tun. Denn nur dann wird uns bewusst:

Wahrer Wohlstand ist Reichtum an frei verfügbarer Zeit.

Zeit für Sex.
Zeit für Freunde.
Zeit für Entspannung.
Zeit für gutes Essen.
Zeit für Erfahrungen, die uns glücklich machen.

All die genannten Tätigkeiten kommen uns nur dann belanglos vor, wenn wir davon ausgehen, dass uns nahezu unbegrenzt Zeit zur Verfügung steht, um sie jederzeit zu wiederholen. Wenn wir glauben, dass wir später (wann?) immer noch genug Zeit haben werden, um uns ihnen zu widmen.

„Die Gewissheit, dass wir sterben müssen, könnte uns zu einer Lebensweise verhelfen, wie sie uns wirklich vorschwebt.“
– Alain de Botton

Der Wert der Zeit

Welchen Wert hat also die Zeit, wenn wir nicht wissen, wie viel uns davon noch zur Verfügung steht? Wir nicht wissen, ob sie uns davon läuft oder im Überfluss vorhanden ist?

Im Zweifel tauschen wir also lieber ein Gut, dessen Wert wir nicht kalkulieren können (Zeit) gegen ein anderes Gut, dessen Wert wir relativ präzise bestimmen können (Geld).

Denn was man hat, hat man.

Ich habe irgendwann begriffen, dass andere bestimmen, was das Geld wert ist, aber ich allein für mich bestimmen muss, was mir meine Zeit wert ist.

Und dass es unsinnig ist, seinen Stundenlohn – egal ob als Angestellter oder als Freelancer – zum Maßstab für den Wert der Zeit zu machen. Auch seiner freien Zeit.

Zeit ist Geld bedeutet Zeit gegen Geld?

Geprägt von der protestantischen Arbeitsethik gerät man schnell in dieses gedankliche Fahrwasser, da die Erwerbsarbeit unser Leben bestimmt. Und für die Allermeisten bedeutet dies den Tausch von Zeit gegen Geld.

Per Stundenlohn weist die Erwerbsarbeit der Zeit einen ökonomischen Wert zu: Arbeitszeit bringt Geld, Freizeit kostet Geld.

Nichtstun ist mitnichten umsonst, sondern verursacht Opportunitätskosten. Denn die freie Zeit ließe sich ja auch anders, produktiver nutzen. Zum Geld verdienen beispielsweise.

Solange man sich in Zeit-gegen-Geld-Systemen bewegt, führt zwangsläufig ein mehr an Geld zu weniger Freizeit (= Karriere) und ein mehr an Freizeit zu weniger Geld (= Teilzeitarbeit).

Da fällt es schwer, die „richtige“ Entscheidung für sich zu treffen, oder?

Doch es gibt Wege raus aus diesem Dilemma…

„I can always make another dollar, but I can never make another minute.“

– Alan Weiss

Die Entkopplung von Zeit und Geld

Es gibt zwei Wege, um dem Zeit-gegen-Geld-Tauschsystem zu entkommen:

1. Du wirst Unternehmer

Entscheidend ist, ein skalierbares System zu erschaffen. Das bedeutet: deine Produkte oder Dienstleistungen können (weitestgehend) unabhängig von deiner Arbeitszeit von einer Vielzahl an Kunden in Anspruch genommen werden.

Damit wird deutlich, dass die meisten Freelancer und Selbständigen keine Unternehmer in diesem Sinne sind. Solange die eigene Arbeitszeit stundenweise in Rechnung gestellt wird, handelt es sich nicht um ein skalierbares System, denn der Tag hat selbst für Workoholics nur 24 Stunden.

Du hast keine Geschäftsidee oder weder Zeit noch Lust, ein eigenes Unternehmen zu gründen?

Kein Problem, es gibt noch einen anderen Weg…

2. Du wirst Investor

Du bist kein Gründer, sondern beteiligst dich einfach finanziell an einem oder mehreren Unternehmen. Du trägst dabei nur einen Teil des unternehmerischen Risikos und musst zwar Geld, nicht aber Zeit investieren.

Abhängig von der Gesellschaftsform des Unternehmens werden Kapitalgeber als Aktionäre (AG), Gesellschafter (GmbH) oder Mitunternehmer (Personengesellschaft) bezeichnet.

Daneben existiert noch die Möglichkeit, sich als Risikokapitalgeber an einem oder mehreren jungen Unternehmen zu beteiligen.

Für alle, die nicht auf einem dicken Koffer voller Geld hocken und mit dauerhaften Verlusten leben können, ist die Investition in Aktien aufgrund eines ausgeglichenen Chancen-Risiko-Verhältnis wohl die sinnvollste Variante. Am besten mit langfristiger Perspektive im Rahmen einer passiven Anlagestrategie.

Eine Nummer zu groß?

Unternehmer…Investor…klingt dir das alles ein wenig zu großkopfert? Sowas ist doch nur für reiche Leute, oder?

Nein, ist es nicht.

Ein Unternehmen muss heute keine große Fabrik mit rauchendem Schornstein sein. Und als Investor brauchst du weder ein Büro im 30. Stockwerk eines Bürotowers, noch musst du teure Anzüge tragen oder Zigarre rauchen.

Vergiss diese Klischeebilder, alles was du brauchst ist ein Computer mit Internetanschluss. Trotzdem kannst du ein Ich-Konzern sein, wie mein Bloggerkollege Markus Cerenak dazu sagen würde.

Schreibe ein eBook und biete es auf deiner Website zum Kauf an – Glückwunsch, du bist Unternehmer!

Investiere 100€ in einen börsengehandelten Indexfonds – schon bist du Investor!

Was, so einfach ist das?

Ja, so einfach ist das. Was nicht bedeutet, dass es leicht ist. Die Chance, mit deinem ersten eBook einen Bestseller zu landen ist vermutlich genau so groß wie die Wahrscheinlichkeit, mit der Zahlung von 100€ in ein Wertpapierdepot finanziell ausgesorgt zu haben.

Aber was nicht ist, kann ja noch werden. Entscheidend ist, einmal anzufangen.

Natürlich hält dich nichts davon ab, sowohl Unternehmer als auch Investor zu werden, um die Vorteile beider Systeme mitzunehmen.

Dabei musst du weder wilde Verrenkungen machen, noch alles aufs Spiel setzen. Du kannst klein anfangen und dich Stück für Stück aus dem Zeit-gegen-Geld-System herausbewegen.

Dir stehen alle Möglichkeiten offen.

Nutze sie, es ist deine Zeit.

Bildquelle: „Time To Walk Like A Rebel“ von Ian Sane (bearbeitet), lizensiert unter CC BY 2.0

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Autor: Holger Grethe
Holger hat Zendepot Anfang 2013 gegründet und dort als einer der ersten deutschen Blogger regelmäßig über passives Investieren mit ETFs und weitere Finanzthemen informiert. Im Juni 2021 beschloss Holger, das Projekt Zendepot für sich abzuschließen, um sich auf sein Kerngeschäft, die eigene Praxis, zu konzentrieren. Die Beiträge von Holger können jedoch weiterhin im Zendepot-Blog abgerufen werden.
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