Passiv schlägt aktiv
Im zweiten Kapitel dieses Guides erfährst du, warum Passives Investieren für die Mehrheit aller Anleger die beste Wahl ist.
Was ist aber gemeint, wenn vom Aktiven Investieren die Rede ist?
Aktive Anlagestrategien
… sind gekennzeichnet durch:
- 1.
Stock-Picking: das gezielte Aussuchen von „richtigen“ Aktien unter bestimmten Gesichtspunkten
- 2.
Market Timing: das Abpassen „geeigneter“ Zeitpunkte, um in den Aktienmarkt ein- oder auszusteigen (im Idealfall: niedrig kaufen, hoch verkaufen)
- 3.
Ziel der Outperformance: der Versuch, besser als „der Markt“ zu sein und eine „Überrendite“ zu erwirtschaften
Eine aktive Anlagestrategie lässt sich auf zwei Arten verfolgen
Variante 1: Man kauft einzelne Aktien in Eigenregie und stellt sich daraus ein Portfolio zusammen
Variante 2: Man verlässt sich auf das glückliche Händchen eines Fondsmanagers und investiert in einen aktiv gemanagten Aktienfonds
Sehen wir uns an, warum beide Varianten nicht wirklich vielsprechend sind …
Das sagt die Wissenschaft
Seit es Finanzmärkte gibt, versuchen Wissenschaftler deren (bizarres) Wesen zu entschlüsseln und erklärbar zu machen.
Es mangelt daher nicht an Theorien, nach welchen Mechanismen Aktienmärkte funktionieren.
Heute stehen sich zwei Lager gegenüber, deren Theorien nur auf den ersten Blick unvereinbar miteinander scheinen:
„Der Markt ist effizient“
…sagen die Anhänger der sogennanten Effizienzmarkthypothese (EMH).
Sie glauben, dass niemand einen Informationsvorsprung hat, den er dauerhaft zum Erzielen überdurchschnittlicher Gewinne nutzen kann.
Dadurch verhält sich der Markt in ihren Augen langfristig immer rational, auch wenn er es bei kurzfristiger Betrachtung nicht tut.
„Anleger handeln nicht rational“
… sagen dagegen die Anhänger der Verhaltensökonomie, im Englischen als Behavioral Finance oder Behavioral Economics bezeichnet.
Sie gehen davon aus, dass es immer Investoren gibt, die irrational handeln.
Denn Investoren stehen im Wettstreit miteinander, was zu Falschbewertungen von Aktienpreisen führt.
Aus diesem Grund kann der Markt aus Sicht der Verhaltensökonomen nicht effizient sein.
Welche Theorie ist die Richtige?
Vermutlich haben die Anhänger beider Lager Recht.
Auf lange Sicht ist der Aktienmarkt effizient und ermöglicht kaum einem Anleger dauerhafte Überrenditen.
Auf kurze Sicht spielen psychologische Faktoren eine Rolle und lassen sich, das entsprechende Können vorausgesetzt, für spekulative Gewinne nutzen.
Leider verfügen nur die wenigsten Anleger über das notwendige Können…
In jedem Fall gilt:
Finanzmärkte gewähren Investoren keine überdurchschnittlichen Gewinne, ohne dass diese überdurchschnittliche Risiken akzeptieren.
Was gegen Stock-Picking spricht
Die Börse verfügt über eine wunderbare Eigenschaft:
Man kann Gewinne erzielen, ohne dass ein anderer dafür Verluste machen muss.
Der Aktienmarkt ist bedingt durch das Wirtschaftswachstum ein „Positivsummenspiel“.
Im Durchschnitt betrug die inflationsbereinigte Rendite des Aktienmarkts in den letzten 200 Jahren etwa 6 Prozent.
Um diese 6 Prozent ist der gesamte Aktienmarkt pro Jahr gewachsen bzw. im Wert gestiegen. Der „Kuchen“ wird im Laufe der Zeit also immer größer.
Jede Form des Wettstreits oder Spiels ist hingegen ein „Nullsummenspiel“:
Die Gewinne und Verluste aller Spieler addieren sich zu Null. Das ist an der Börse nicht anders.
Das bedeutet:
Sieht man vom Faktor Kosten ab, müssen 50 Prozent aller Investoren besser und 50 Prozent schlechter abschneiden als der Durchschnitt aller Investoren.
Denn alle Anleger zusammen bilden den Markt. Sie können sich als Gruppe nicht selbst leistungsmäßig übertreffen.
Der Wettbewerb
Anleger, die mehr als die Durchschnittsrendite von etwa 6 Prozent erwirtschaften möchten, können dies also nur auf Kosten anderer Anleger tun.
Dazu müssen sie die Fehler entdecken und nutzen, die andere Anleger machen.
Durch diverse Analysemethoden versuchen Investoren daher, ein besseres Verständnis für den Wert einer Anlage zu bekommen als der Marktkonsens besagt.
Das Problem: so gehen viele vor.
Letztlich misst man sich mit all den anderen Analysten und Anlegern.
Die Wahrscheinlichkeit, in Zeiten der schnellen Informationsverbreitung unentdeckte Chancen zu finden und diese gewinnbringend zu nutzen, sind nicht vielversprechend.
Das Verliererspiel
Der Finanzautor Charles D. Ellis bezeichnet die Börse daher als „Verliererspiel“.
In einem Verliererspiel können Amateure nur Erfolg haben, indem sie möglichst wenige Punkte verlieren.
Ihre Fähigkeiten reichen nicht aus, um aktiv um Punkte mitzukämpfen.
Nur Profis sind in der Lage, aufgrund ihrer Fähigkeiten aktiv Punkte zu erzielen.
Etwa 90 Prozent aller Marktaktivitäten lassen sich institutionellen Investoren (Versicherungskonzernen, Fondsgesellschaften, Pensionskassen, etc.) zuschreiben.
Privatanleger handeln also so gut wie immer mit Profis.
Man könnte (und sollte) deshalb zu dem weisen Schluss kommen:
"In einem Umfeld voller intelligenter, hart arbeitender und gut informierter Marktteilnehmer ist die klügste Handelsstrategie: gar nicht handeln."
William J. Bernstein
Jedenfalls nicht im Sinne einer aktiven Anlagestrategie.
Was gegen Market Timing spricht
Market Timing, das Abpassen geeigneter Ein- und Ausstiegszeitpunkte ist schwer.
Weil die größten Marktbewegungen innerhalb sehr kurzer Zeitspannen auftreten.
Zudem treten sie vor allem in Zeiten auf, in denen die meisten Investoren nicht mit ihnen rechnen.
Die größten positiven Kursentwicklungen finden – über lange Zeiträume gesehen – an nur wenigen Handelstagen statt.
Market Timing erhöht die Wahrscheinlichkeit, genau an diesen Tagen nicht oder zu wenig investiert zu sein!
In einer Untersuchung zeigte sich, dass über einen Zeitraum von 40 Jahren mehr als zwei Drittel der Gesamtrendite eines Aktienportfolios an nur 90 Handelstagen erzielt wurden.
Ein Anleger, der an diesen 90 Tagen nicht investiert gewesen wäre, hätte nur 3,2 Prozent Rendite erzielt.
Ein Anleger, der die Aktien über die gesamte Laufzeit gehalten hätte (buy-and-hold), wäre hingegen bei 10,8 Prozent gelandet.
Die Kosten
Beim Handeln von Wertpapieren entstehen dem Anleger diverse Kosten:
Unter anderem Transaktionskosten, Steuern und Verwaltungsgebühren (bei Fonds).
Berücksichtigt man die Kosten, erzielen die meisten aktiven Anleger (inklusive Fondsmanager) unterdurchschnittliche Ergebnisse.
Bei Investmentfonds haben die Kosten eine große Vorhersagekraft für ihre zukünftige Entwicklung:
Je geringer die Kosten, desto besser die zu erwartende Performance.
Geht man davon aus, dass die Gewinne normalverteilt sind, schneiden jedes Jahr 67 Prozent aller aktiven Investoren nach Kosten schlechter ab als der Vergleichsindex.
Aus diesem Grund muss der aktive Anleger zum oberen Drittel, nicht nur zur oberen Hälfte aller Anleger gehören, damit sich eine aktive Anlagestrategie am Ende auszahlt.
Das bedeutet:
Etwa zwei Drittel aller aktiven Investoren, die Jahr für Jahr versuchen, den Markt (Index) zu schlagen, müssen scheitern.
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