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Die Ergebnisse von Privatanlegern

Autor
Holger Grethe
Letzte Aktualisierung
22. Jan. 2017

In den ersten zwei Kapiteln dieses Guides haben wir gesehen, dass die Erfolgsaussichten aktiver Anlagestrategien eher mager sind.

Im dritten Kapitel erfährst du, welche Ergebnisse Privatanleger tatsächlich mit ihren Wertpapierdepots erzielen:

Eine Studie über Privatanleger

In seiner 2011 erschienenen Übersichtsarbeit The Behaviour of Individual Investors untersuchte der Finanzprofessor Brad Barber das Verhalten und die Anlageergebnisse von Privatanlegern.

Übersichtsarbeit bedeutet, dass Barber eine ganze Reihe von Studien ausgewertet und die Ergebnisse in seiner Publikation zusammengefasst hat.

Dabei fokussiert er sich auf die Gruppe von Kleinanlegern, die eine aktive Anlagestrategie verfolgten.

Im ersten und umfangreichsten Teil seiner Arbeit analysiert Barber, welche Rendite Privatanleger mit ihren Aktiendepots erzielen:

Magere Performance

Von wenigen Ausnahmen abgesehen gehören Kleinanleger zur Gruppe der Investoren, die unterdurchschnittlich abschneiden.

Dabei ist die Bandbreite zwischen erfolglosen und erfolgreichen Anlegern sehr groß.

Und es fiel auf, dass viele Kleinanleger sehr aktiv sind. Also Wertpapiere häufig kaufen und verkaufen.

In einer Studie für den amerikanischen Markt aus dem Jahr 2000 wurde festgestellt, dass Kleinanleger pro Jahr drei Viertel aller Wertpapiere in ihrem Depot austauschen.

Das entspricht einer durchschnittlichen Haltedauer pro Aktie von nur 16 Monaten.

Wie bereits gesehen, führt häufiges Handeln zu höheren Transaktionskosten. Darüber hinaus wird jeder Verkauf besteuert, bei dem ein Gewinn erzielt wurde.

Es ist daher keine Überraschung, wenn aktive Anleger nach Kosten und Steuern eine geringere Rendite erzielen als Passivanleger (siehe Kapitel 2 – Passiv schlägt aktiv).

Schlechtes Stock-Picking

In einer von Barber zitierten Untersuchung aus dem Jahr 1999 wurden 10.000 Kunden eines großen Discountbrokers über einen Zeitraum von 6 Jahren beobachtet.

Dabei stellte sich heraus, dass sich die Aktien, die Privatanleger kauften, in den nächsten 12 Monaten schlechter entwickelten als die Aktien, welche die Anleger verkauften.

Es scheint also, als ob Privatanleger systematisch schlechter abschneiden als der Markt, und das noch vor Kosten.

Ihre Fähigkeit, die richtigen Aktien auszuwählen scheint eher mäßig ausgeprägt zu sein.

Häufiges Hin und Her im Depot macht die Sache erwartungsgemäß nicht besser …

Immense Transaktionskosten

In einer Studie aus dem Jahr 2000 wurde eine noch größere Zahl von Privatanlegern analysiert, ganze 78.000 Kunden eines großen Discountbrokers.

In dieser Untersuchung zeigte sich, dass vor allem die Handelskosten für unterdurchschnittliche Ergebnisse sorgen.

Das eindeutige Ergebnis: Je mehr gehandelt wurde, desto geringer war die Rendite.

Die fleissigsten Hobby-Trader blieben demnach am weitesten hinter der theoretisch erzielbaren Marktrendite zurück.

Also gerade diejenigen, die sich offensichtlich am ehesten zutrauten, richtige Kauf- und Verkaufsentscheidungen treffen zu können.

Intelligenz reicht nicht aus

Eine Studie aus Taiwan stellte fest: Es gibt große Unterschiede innerhalb der Gruppe der Privatanleger.

Offensichtlich existiert ein Zusammenhang zwischen dem Abschneiden an der Börse und Faktoren wie Erfahrung, Intelligenz, Anlagestil und Geschlecht.

Es zeigt sich, dass intelligente Anleger bessere Ergebnisse erzielen als weniger intelligente.

Was soweit keine Überraschung ist …

Interessant ist viel mehr, dass intelligente Anleger zwar gute Entscheidungen hinsichtlich der Auswahl der Aktien treffen.

Der dadurch erzielte Gewinn aber gerade dazu reicht, ihre Transaktionskosten zu kompensieren.

Im Klartext

Selbst die besten Stock-Picker schaffen es gerade, die Transaktionskosten wieder einzuspielen, die ihr aktives Handeln erst verursacht!

Der Dispositions-Effekt

In seiner Studie fand Barber heraus:

Kleinanleger verkaufen gerne Aktien, die seit dem Kauf im Kurs gestiegen sind. Und sie halten Aktien, die seit dem Kauf gefallen sind.

Bedeutet: die Gewinner-Aktien werden abgestoßen und die Verlierer-Aktien bleiben im Depot.

Rational ist dieses Verhalten nicht.

Denn Aktien, die stark im Kurs gestiegen sind, werden dies mit einer höheren Wahrscheinlichkeit auch weiterhin tun.

Hinter dem Dispositions-Effekt steckt vermutlich das Phänomen der Verlustaversion.

Dabei handelt es sich um einen biologisch tief verankerten Verhaltensmechanismus.

Dieser sorgt dafür, dass wir weitaus motivierter sind, Verluste zu vermeiden als Gewinne zu erzielen.

Also wird lieber an schlechten Aktien festgehalten, als sich den Verlust eingestehen zu müssen.

Frauen vs. Männer

An dieser Stelle darf ein Vergleich der Geschlechter natürlich nicht fehlen.

Also, wer investiert besser: Männer oder Frauen?

Brad Barber führt eine Studie an, in der die erzielte Nettorendite von weiblichen und männlichen Anlegern verglichen wurde.

Das Ergebnis: Die Männer schneiden schlechter ab.

Weil sie zu überzogenem Selbstbewusstsein neigen und dementsprechend häufiger handeln als die Frauen.

Genau genommen schneiden Männer und Frauen schlecht ab. Aber die Männer eben noch ein wenig schlechter als die Frauen.

Vor Kosten trafen beide Geschlechter gleich gute bzw. schlechte Entscheidungen. Zumindest was die Auswahl der Aktien anbelangt.

Aber die höheren Handelskosten der Männer ließen die Frauen im direkten Vergleich als Sieger dastehen.

Mangelhafte Risikostreuung

In seiner Untersuchung stellte Barber fest, dass Portfolios von Privatanlegern häufig Defizite bei der Risikostreuung aufweisen.

Zum Beispiel, in dem sie viel Geld in die Aktien ihres eigenen Arbeitsgebers stecken.

Damit korreliert ihr Arbeitseinkommen (Humankapital) eng mit ihrem Finanzvermögen.

Gerät das Unternehmen in starke wirtschaftliche Schwierigkeiten oder geht gar pleite, haben diese Anleger gleich zwei Probleme auf einmal:

Zum einen verlieren sie ihren Job und und zum anderen auch einen großen Teil ihrer finanziellen Rücklagen.

Zu wenige Aktien im Depot

Mehrere Studien zeigten, dass viele Anleger eine zu geringe Zahl an Aktien im Depot haben und sich die gewählten Aktien auch noch äußerst volatil verhalten.

Sprich: sehr stark im Wert schwanken.

Zu allem Überfluss korrelieren sie auch noch stärker miteinander als man es bei einer rein zufallsbasierten Aktienauswahl erwarten würde.

Fast ein wenig provozierend klingt da das Ergebnis einer finnischen Studie:

Anleger mit hohem IQ setzen mit großer Wahrscheinlichkeit entweder auf Fonds oder auf eine höhere Gesamtzahl an Aktien.

Ebenfalls eine Rolle spielt in diesem Zusammenhang der sogenannte …

Riskante Heimatliebe (Home Bias)

Viele Anleger scheuen sich davor, in ausländische Unternehmen zu investieren und verzichten dadurch auf einen Diversifikationsvorteil.

Sie bevorzugen Unternehmen vor der eigenen Haustür in dem Glauben, diese besser zu kennen und einschätzen zu können.

Irrtümlicherweise fühlen sie sich dabei sicherer, obwohl sie mehr Risiko tragen müssen.

Denn mit ihrem „Heimat-Portfolio“ sind sie tendenziell größeren Wertschwankungen ausgesetzt.

Ein Blick in zwei Richtungen

Einen letzten interessanten Aspekt deckt Brad Barber am Ende seiner Übersichtsarbeit auf.

Anleger schauen beim Kauf von Aktien in die Zukunft und beim Verkauf in die Vergangenheit.

Mit anderen Worten:

Leute kaufen Aktien, weil sie für die Zukunft auf bestimmte Entwicklungen hoffen.

Und sie verkaufen Aktien aufgrund von Ereignissen, die in der Vergangenheit passiert sind.

In den meisten Fällen führt dies dazu, dass – wie bereits erwähnt – Gewinner verkauft und Verlierer gehalten werden.

Die Studie von Brad Barber schließt mit dem Satz:

Privatanleger, die den Ratschlag ignorieren, ein kostenarmes und gut diversifiziertes Portfolio zu halten, tun dies im Allgemeinen zu ihrem Nachteil.

Können Privatanleger nur verlieren?

An dieser Stelle fällt mir eine Szene aus dem Dokumentarfilm Master of the Universe ein.

Der Protagonist des Films, der ehemalige Investmentbanker Rainer Voss, sagt darin sinngemäß:

„Ist ja kein Geheimnis, dass an der Börse die Kleinanleger immer verlieren.“

Und das scheint ja wirklich so zu sein …

Nimmt man alle Studien zusammen, dann lautet die Quintessenz:

Aktiv handelnde Privatanleger erzielen im Mittel schlechte Ergebnisse als der Marktdurchschnitt und würden mit der Investition in kostenarme Indexfonds besser fahren.

Bleibt die Frage …

Warum handeln immer noch so viele Leute aktiv an der Börse?

Zum einen ist das Konzept des Passiven Anlegens vermutlich noch nicht allen Anlegern bekannt.

Denn weder Finanzindustrie noch Medien können ein großes Interesse an der Verbreitung dieser Anlagestrategie haben:

Die Finanzbranche kann mit ETFs (Exchange Traded Funds) keine dicken Provisionen und Gebühren erzielen.

Und die Medien möchten ihr gut zahlenden Anzeigenkunden aus eben dieser Branche sicher nur ungern vergraulen.

Zum anderen gibt es eine Reihe psychologischer Faktoren, die erklären, warum aktive Anlagestrategien nach wie vor sehr beliebt sind.

Diese Faktoren schauen wir uns im nächsten Kapitel an …

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Autor: Holger Grethe
Holger hat Zendepot Anfang 2013 gegründet und dort als einer der ersten deutschen Blogger regelmäßig über passives Investieren mit ETFs und weitere Finanzthemen informiert. Im Juni 2021 beschloss Holger, das Projekt Zendepot für sich abzuschließen, um sich auf sein Kerngeschäft, die eigene Praxis, zu konzentrieren. Die Beiträge von Holger können jedoch weiterhin im Zendepot-Blog abgerufen werden.
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