ETF-Risikoklassen: Welche gibt es und was bedeuten sie?
Rendite gibt es nur mit Risiko – das gilt auch für ETFs. Wichtig ist, dass ihr die Risiken, auf die ihr euch einlässt, auch versteht. Dabei helfen die sogenannten Risikoklassen, die ETFs in unterschiedliche Risikostufen einteilen. Doch wie aussagekräftig sind jene wirklich?
Wir verraten, was die Risikoklassen bedeuten und wie wichtig sie bei der ETF-Auswahl sind.
ETF-Anbieter müssen auf dem Basisinformationsblatt (KID) einen Gesamtrisikoindikator (SRI) für jeden ETF veröffentlichen.
Dieser Risikoindikator teilt den ETF einer von sieben Risikoklassen zu, wobei das Risiko in Klasse 7 am höchsten ist. Dabei werden die prognostizierte Volatilität des ETF und die Bonität des ETF-Herausgebers berücksichtigt.
Breit streuende Aktien-ETFs liegen typischerweise in Risikoklasse 4 und 5, Anleihen-ETFs in Risikoklasse 1 bis 3 und riskantere ETFs wie Themen-ETFs oder Hebel-ETFs in 5 oder 6.
Die SRI-Einstufung ist nur ein erster Anhaltspunkt, wie sicher ein ETF ist, denn es fließen nicht alle Risiken ein. Für die ETF-Auswahl ist sie also nur eine von vielen Kriterien.
Was sind Risikoklassen?
Risikoklassen sind ein Versuch, die potenziellen Risiken und Chancen von Finanzprodukten wie Fonds und ETFs für Anleger transparent und vergleichbar zu machen. Anbieter dieser Finanzprodukte müssen seit dem Jahr 2023 ein Basisinformationsblatt (Key Information Document, kurz KID) veröffentlichen.
Darauf müssen sie einen sogenannten Gesamtrisikoindikator (Synthetic Risk Indicator, kurz SRI) angeben. Dieser ordnet das Finanzprodukt – egal ob Fonds, ETF, Lebensversicherung oder Optionsschein – einer von sieben Risikoklassen zu.
Die Risikoklassen werden nach einer einheitlichen Methodik europaweit bestimmt. Sie sollen Anlegern wie euch dabei helfen, das Risiko eines ETFs abzuschätzen und mit anderen Finanzprodukten zu vergleichen.
Welche Risikoklassen gibt es?
Das SRI-Maß unterscheidet zwischen sieben Risikoklassen. Kategorie 7 steht dabei für das größte Risiko, Kategorie 1 für die höchste Sicherheit mit üblicherweise geringen Renditen.
Ein typisches Finanzprodukt aus Kategorie 1 sind Geldmarktfonds, etwa ein ETF mit deutschen Staatsanleihen mit einer Restlaufzeit von maximal einem Jahr. In Kategorie 7 fallen unter anderem Finanzprodukte, bei denen ihr mehr als den Anlagebetrag verlieren könnt.
Hier seht ihr zunächst eine kurze Übersicht der Risikoklassen:
Risikoklasse/ Kategorie | Risiko | Beispiele |
---|---|---|
1 | Sehr niedrig | Geldmarktfonds, Tagesgeld, Festgeld |
2 | Niedrig | Fonds mit länger laufenden Staatsanleihen aus Industrieländern |
3 | Mittel | Mischfonds, Anleihenfonds |
4 | Mittel | Global diversifizierte Aktienfonds |
5 | Hoch | Länder-Aktienfonds |
6 | Hoch | Themenfonds, gehebelte Fonds |
7 | Sehr hoch | Unter anderem bestimmte Optionen, Swaps und Terminkontrakte sowie Finanzprodukte, bei denen Anleger mehr als den Anlagebetrag verlieren können |
Wie errechnet sich die Risikoklasse?
Grundsätzlich berücksichtigt das SRI-Maß zwei konkrete Risiken, wie aus Anhang II der EU-Verordnung 2017/653 hervorgeht:
- 1.
Das Marktrisiko wird anhand der Kursschwankungen (Volatilität) der vergangenen fünf Jahre berechnet. Allerdings wird nicht eine historische Volatilität ermittelt, sondern auf Basis eines Wahrscheinlichkeitsmodells eine erwartete, zukünftige Volatilität.
- 2.
Für das Kreditrisiko werden unter anderem Ratings über die Bonität des Finanzprodukt-Herstellers oder einer anderen Partei herangezogen, die Zahlungen an den Anleger leistet.
Je nach Höhe der prognostizierten Volatilität wird der ETF in eine von sieben Marktrisikowert-Klassen eingeteilt. Außerdem wird ein Kreditrisiko-Wert ermittelt, der zwischen 1 und 6 liegt. Aus den beiden Zahlen wird dann die Risikoklasse errechnet.
Das Kreditrisiko fällt bei ETFs nicht ins Gewicht, weil die Wertpapiere im ETF-Vermögen als Sondervermögen zählen und bei Insolvenz eines ETF-Anbieters nicht gefährdet wären. Details hierzu lest ihr in unserem Artikel „Kann ein ETF pleitegehen?“.
Weil das Kreditrisiko wegfällt, spiegelt die Risikoklasse eines ETF also in der Regel nur das Marktrisiko wider.
Marktrisikobewertung beim SRI
Bei einem ETF mit der Risikoklasse 1 ist laut dem Schätzmodell aus der EU-Verordnung mit einer Volatilität von bis zu 0,5 % pro Jahr zu rechnen. Die Wertzuwächse des ETF sollten also nur bis zu 0,5 % um die mittlere erwartete Rendite schwanken, was für stabile und vorhersehbare Anlageerträge spricht.
Wertpapiere der Risikoklasse 7 können hingegen um mehr als 80 % schwanken, sind also wesentlich unbeständiger und mit einem höheren Risiko – aber auch potenziell höheren Renditechancen – verbunden.
Hier seht ihr die gesamte Tabelle für die sieben Risikoklassen:
Marktrisikowert-Klasse | Volatilitätsspanne |
---|---|
1 | 0–0,5 % |
2 | 0,5-5 % |
3 | 5–12 % |
4 | 12–20 % |
5 | 20–30 % |
6 | 30–80 % |
7 | 80 % und mehr |
Quelle: Seite 15 der EU-Verordnung 2017/653 (Anhang II)
In welche Risikoklassen fallen ETFs?
Die Risikoklasse wird für jeden ETF individuell bestimmt, doch es gibt einige allgemeine Muster. Geldmarkt-ETFs beispielsweise schwanken in der Regel kaum im Kurs und befinden sich daher in den niedrigsten Risikoklassen. In Kategorie 2 und 3 sind ETFs mit länger laufenden Anleihen guter Bonität, etwa ein ETF mit deutschen Bundesanleihen.
In Kategorie 4 findet man ETFs mit Rohstoff-Futures und breit streuende Aktien-ETFs wie MSCI World & Co. In Kategorie 5 sind häufig Länder-Aktien-ETFs zu finden, beispielsweise S&P 500-ETFs. ETFs, die in einzelne Branchen oder Trends investieren, oder spekulative Produkte wie Hebel-ETFs können in Kategorie 6 fallen (siehe Tabelle).
Ihr seht also: Je konzentrierter ein ETF investiert oder je volatiler die darin enthaltenen Anlageklassen sind, desto höher ist tendenziell die Risikoeinstufung in der SRI-Systematik.
Beispiele für ETFs und ihre Risikoklassen
Hier seht ihr eine Auswahl einiger bekannter ETFs und ihrer Risikoklassen:
ETF | Kategorie | Anlageuniversum | SRI-Risikoklasse |
---|---|---|---|
iShares eb.rexx Government Germany 0-1yr UCITS ETF (DE) | Geldmarkt-ETF | Deutsche Staatsanleihen mit einer Restlaufzeit von bis zu einem Jahr | 1 |
iShares eb.rexx Government Germany UCITS ETF (DE) | Anleihen-ETF | Deutsche Staatsanleihen mit einer Restlaufzeit von 1,5 bis 10,5 Jahren | 2 |
iShares Core Global Aggregate Bond UCITS ETF USD (Dist) | Anleihen-ETF | Staats- und Unternehmensanleihen aus Industrie- und Schwellenländern mit Rating Investmentgrade | 3 |
iShares Core MSCI World UCITS ETF USD (Acc) | Aktien-ETF | Aktien aus Industrieländern | 4 |
Vanguard FTSE All-World UCITS ETF Distributing | Aktien-ETF | Aktien aus Industrie- und Schwellenländern | 4 |
iShares Diversified Commodity Swap UCITS ETF | Rohstoff-ETF | Futures von 20 verschiedenen Rohstoffen | 4 |
Xtrackers MSCI Emerging Markets UCITS ETF 1C | Aktien-ETF | Aktien aus Schwellenländern | 4 |
iShares Core S&P 500 UCITS ETF (Acc) | Aktien-ETF | Aktien USA | 5 |
iShares Core DAX UCITS ETF (DE) | Aktien-ETF | Aktien Deutschland | 5 |
VanEck Semiconductor UCITS ETF | Themen-ETF | Aktien von US-Unternehmen aus der Halbleiterbranche | 6 |
Amundi ETF Leveraged MSCI USA Daily UCITS ETF EUR | Hebel-ETF | Gehebelter ETF mit Faktor 2 auf den MSCI USA | 6 |
Wie aussagekräftig sind die Risikoklassen bei ETFs?
Risikoklassen sind nur begrenzt aussagekräftig, weil sie bloß das Marktrisiko und das Kreditrisiko berücksichtigen – bei ETFs sogar nur Ersteres. Das Marktrisiko wird wiederum nur auf Basis der Volatilität der vergangenen fünf Jahre, also auf historischen Daten, berechnet. Ihr habt keine Garantie, dass sich die Zukunft nicht anders entwickelt als prognostiziert.
Das SRI-Maß berücksichtigt außerdem keine Währungsrisiken. Bei einem ETF mit US-Staatsanleihen wird bloß die Kursvolatilität der enthaltenen Anleihen in US-Dollar gemessen. Als Anleger in der Eurozone unterliegt ihr aber dem Risiko, dass der US-Dollar gegenüber dem Euro an Wert verliert und ihr zusätzliche Verluste erleidet.
Etwaige Liquiditätsrisiken fließen ebenfalls nicht ein, sondern werden bloß im SRI-Begleittext genannt. Solche Risiken zeigten sich beispielsweise bei Russland-ETFs, die aufgrund von Sanktionen nicht mehr handelbar sind und bei denen Anlegern ein Totalverlust droht.
Für euch bedeutet das: Nur weil ein ETF eine niedrige Risikoklasse hat, muss er keineswegs sicher sein. Berücksichtigt weitere Risikomaße (siehe unten) und stellt weitere Risikoüberlegungen an, etwa was eure Lebensphase, euren Anlagehorizont, eure Vermögensstruktur und eure psychische Risikotragfähigkeit anbelangt.
Welche anderen Risikomaße gibt es bei ETFs?
Neben dem SRI-Maß könnt ihr die Risiken eines ETFs auch mit den folgenden Kennzahlen abschätzen:
Volatilität
Das SRI-Maß versucht, die künftige Volatilität anhand von Daten über die Volatilität der vergangenen 5 Jahre abzuschätzen. Ihr könnt euch aber auch die vergangene Volatilität selbst anschauen.
Die Volatilität misst die Schwankungen der Renditen eines Wertpapiers oder eines Index um die mittlere Rendite. Die Kennzahl wird als positive Prozentzahl angegeben.
Etwa liegt die Volatilität des größten MSCI World-ETFs in Deutschland, des ishares Core MSCI World, auf Fünf-Jahressicht derzeit bei 18 %. Im Schnitt haben die Kurse also in dem Zeitraum um 18 % um die mittlere Rendite geschwankt. Eine höhere Volatilität ist ein Hinweis auf eine tendenziell höhere Verlustgefahr.Sharpe Ratio
Dieses Performancemaß setzt die Rendite eines ETF ins Verhältnis zu seiner Volatilität und berücksichtigt dabei den Zins, den ihr für eine sehr sichere Geldanlage erhalten würdet (Formel: Rendite minus risikoarmer Zins durch Volatilität, jeweils in Prozent).
Ist die Sharpe Ratio größer als null, dann hat der ETF besser rentiert als eine Geldmarktanlage (Tagesgeld, Geldmarktfonds). Liegt die Sharpe Ratio zwischen 0 und 1, ist die Rendite geringer als die Volatilität. Generell gilt: je höher die Sharpe Ratio, desto besser. Eine Sharpe Ratio über 1 gilt als gut.Maximum Drawdown
Das ist der Verlust, den ihr zum ungünstigsten Einstiegs- und Ausstiegszeitpunkt eingefahren hättet. Etwa liegt der Maximum Drawdown des „ishares Core MSCI World“-ETF seit Auflage im September 2009 bei 33 %. Das wäre der höchstmögliche nominale Verlust, den ihr in dem Zeitraum hättet einfahren können.
Die Risikomaße findet ihr auf den Internetseiten der ETF-Anbieter oder auf ETF-Vergleichsseiten. Weitere Risiken von ETFs haben wir euch im Artikel „ETF-Nachteile: Diese 10 Kritikpunkte solltet ihr kennen“ zusammengestellt.
Welche Risikoklasse sollte ich bei ETFs wählen?
Aus unserer Sicht ist eine mittlere bis höhere Risikoklasse kein generelles Ausschlusskriterium. Wenn ihr die ETFs richtig miteinander kombiniert, könntet ihr auch einen größeren Teil eures Vermögens in einen ETF mit der Risikoklasse 5 investieren, etwa in einen S&P 500-ETF. Das SRI-Maß ist bloß eine erste Orientierungshilfe bei der ETF-Suche.
Ein Warnzeichen kann eine Einstufung in Risikoklasse 6 oder 7 sein. Diese ETFs können riskante Handelsstrategien verfolgen (zum Beispiel Hebel-ETFs) oder in bestimmte Branchen und Trendthemen investieren (Klumpenrisiko). Solche ETFs solltet ihr entweder ganz meiden oder bloß gering gewichten.
Fazit: Risikoklassen bei ETFs
Risikoklassen bei ETFs bieten eine erste Orientierungshilfe, um das Risiko- und Renditeprofil verschiedener ETFs besser einzuschätzen und miteinander zu vergleichen. Sie basieren auf einer standardisierten Bewertung des Markt- und Kreditrisikos, wobei ETFs primär nach ihrer Volatilität klassifiziert werden.
Während Geldmarkt- und Anleihen-ETFs oft in den niedrigeren Risikoklassen zu finden sind, da sie geringere Kursschwankungen aufweisen, liegen Aktien- oder Themen-ETFs aufgrund ihrer höheren Volatilität meist in den mittleren und höheren Kategorien. Vorsichtig sein solltet ihr vor allem bei ETFs der Risikoklasse 6 oder 7, die sich in der Regel an erfahrene Anleger richten.
Generell ist die Risikoklasse aber nur ein erster Anhaltspunkt, um die Risiken eines ETFs abzuschätzen. Berücksichtigt deshalb auch andere Risikomaße und Faktoren, etwa eure Lebensphase, psychische Risikotoleranz oder Vermögensstruktur.
Häufig gestellte Fragen
Weltweit diversifizierte ETFs, die die Wertpapiere aus dem Index tatsächlich halten, gelten als sehr sicher. Die meisten Risiken von ETFs finden sich zudem auch bei normalen Investmentfonds.
ETF-Anbieter müssen im Basisinformationsblatt (KID) einen Gesamtrisikoindikator angeben (Synthetic Risk Indicator, kurz SRI). Dieser unterscheidet zwischen sieben Risikoklassen, wobei Klasse 7 für das höchste Risiko steht. Dabei werden das Marktrisiko (prognostizierte Volatilität) und das Kreditrisiko berücksichtigt (Ausfall des ETF-Herausgebers oder einer verbundenen Partei).
Breit streuende Aktien-ETFs auf Indizes wie den MSCI World finden sich in der Regel in Risikoklasse 4 oder 5. Anleihen-ETFs fallen häufig in die Risikoklassen 1 bis 3 und Themen-ETFs oder Hebel-ETFs in 5 oder 6.
Welche Risikoklasse man wählen sollte, lässt sich nicht pauschal beantworten. Die Risikoklasse ist bloß eine erste Orientierungshilfe bei der ETF-Wahl. ETFs der Risikoklasse 6 oder 7 solltet ihr in der Regel aber meiden oder gering gewichten, wenn ihr nicht genau wisst, was ihr tut. Diese können riskante Handelsstrategien abbilden (etwa Hebel-ETFs) oder sehr konzentriert investieren (Themen-ETFs).
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