Cost-Average-Effekt bei ETFs: Was ist das – und was bringt er?
Regelmäßig kleine Summen per Sparplan in einen ETF investieren statt einmalig einen großen Betrag – das machen viele Anleger:innen, weil sie auf diese Weise vom Cost-Average-Effekt profitieren können. Oder doch nicht?
In diesem Artikel erfahrt ihr, was hinter dem Cost-Average-Effekt steckt. Bietet der Effekt Vorteile für Anleger:innen, die ETF-Sparpläne nutzen – oder haben Kritiker recht, die sagen, dass es sich lediglich um einen Mythos handelt?

Mit einem ETF-Sparplan investiert ihr regelmäßig einen festen Betrag in einen ETF. Durch die schwankenden Kurse kauft ihr für dasselbe Geld mal mehr, mal weniger Anteile – daraus entsteht ein Durchschnittspreis. Dieses Prinzip nennt sich Cost-Average-Effekt (CAE).
Der Cost-Average-Effekt soll angeblich die Rendite steigern, weil der Durchschnittspreis durch die regelmäßigen Käufe unter dem Kurs einer Einmalanlage liegen soll. Das stimmt so pauschal nicht.
In Märkten, die nicht steigen, sondern langfristig fallen oder schwanken, kann der Durchschnittspreis tatsächlich sinken – ihr kauft also (im Vergleich zur Einmalanlage) günstiger nach.
In langfristig steigenden Börsenmärkten, wie sie in den vergangenen Jahrzehnten prägend waren, bringt der CAE bei Sparplänen hingegen keinen Renditevorteil.
Der CAE bietet vor allem psychologische Vorteile. Das Wissen, bei sinkenden Kursen günstiger Anteile zu erwerben, hilft vielen Anleger:innen, in turbulenten Börsenphasen ruhig und diszipliniert im Markt zu bleiben.
Was ist der Cost-Average-Effekt?
Der Cost-Average-Effekt entsteht, wenn ihr regelmäßig feste Beträge investiert – ein Ansatz, den viele ganz automatisch verfolgen. Viele Anleger:innen können oder wollen nämlich keine große Summe Geld auf einmal investieren, sondern entscheiden sich für kleine Beträge in regelmäßigen Abständen. Sie stecken etwa monatlich 100 € in einen ETF-Sparplan.
Wenn ihr euer Geld schrittweise investiert, erwerbt ihr eure ETF-Anteile mal zu höheren, mal zu niedrigeren Preisen, denn an der Börse schwanken die Kurse. Daraus ergibt sich ein durchschnittlicher Einkaufspreis. Dieses Phänomen nennt man Durchschnittskosteneffekt (auf Englisch: Cost-Average-Effekt, abgekürzt CAE).
Beispiel: Ihr investiert monatlich 100 € in einen Aktien-ETF. Im ersten Monat beträgt der Kurs 100 €, ihr erwerbt einen Anteil. Dann sinkt der Kurs auf 50 €, ihr kauft zwei Anteile. Im dritten Monat erholt sich der Kurs wieder auf 100 € und im vierten und fünften Monat liegt der Kurs jeweils bei 150 €, ihr bekommt nur noch jeweils 0,67 Anteile.
Monat | Kurs | Investition | Gekaufte Anteile |
|---|---|---|---|
1 | 100 | 100 | 1 |
2 | 50 | 100 | 2 |
3 | 100 | 100 | 1 |
4 | 150 | 100 | 0,67 |
5 | 150 | 100 | 0,67 |
Insgesamt habt ihr nach fünf Monaten 5,34 Anteile für 500 € gekauft, was einem durchschnittlichen Preis von 93,63 € pro Anteil entspricht.
Wer dagegen die gesamten 500 € gleich im ersten Monat investiert hätte, würde am Ende genau fünf Anteile besitzen. Das sieht auf den ersten Blick nach einem Vorteil für den Sparplan aus – ihr habt mehr Anteile für das gleiche Geld bekommen.
Der Haken an der Sache: Das Beispiel ist konstruiert, um den Effekt zu illustrieren. In der Realität erzielt ihr durch regelmäßige Käufe nicht immer automatisch einen besseren Durchschnittspreis.
Der Cost-Average-Effekt bietet theoretisch in einem schwankenden oder fallenden Börsenmarkt Vorteile, wenn ihr bei niedrigen Kursen mehr Anteile kaufen könnt. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass die Märkte langfristig steigen. Dann zahlt man höhere Preise und erhält entsprechend weniger Anteile.
Effekthascherei: Cost-Averaging als Verkaufsargument
Banken und Finanzdienstleister werben häufig mit dem Cost-Average-Effekt, um Anleger:innen von Sparplänen zu überzeugen. Das klingt dann beispielsweise so:

Quelle: Screenshot von der Website einer Bank mit Textausschnitt zum CAE
Die Überschrift und der erste Satz sind sehr pauschal formuliert. So entsteht der Eindruck, dass der Cost-Average-Effekt bei Sparplänen quasi bei jeder Börsenlage Vorteile bietet. Das ist aber nicht der Fall.
Was sagen Studien und Experten zum Cost-Average-Effekt?
Zahlreiche wissenschaftliche Studien zeigen, dass der CAE für die Anleger:innen in der Regel keine Vorteile bietet. Meistens ist eine Einmalanlage renditestärker als ein Sparplan.
Beispielsweise hat das Finanzunternehmen Morningstar im Jahr 2019 untersucht, ob Anleger:innen mit regelmäßigen Einzahlungen – etwa über Sparpläne – tatsächlich besser fahren als mit einer Einmalanlage. Im Fokus standen Zeiträume zwischen zwei und 120 Monaten.
Das Ergebnis: In rund 72 % der Fälle erwies sich die Rendite von Einmalanlagen der Rendite von Sparplänen als überlegen. Je länger der Zeithorizont, desto besser schlugen sich Einmalanlagen. Bei den 120-Monats-Perioden waren Sparpläne in weniger als 10 % der Fälle einer Einmalanlage überlegen.
Morningstar meint: „Am Kapitalmarkt investiert nur, wer davon ausgeht, dass die Kurse langfristig steigen. Und gerade unter diesem Szenario ist die Einmalanlage dem Cost-Averaging systematisch überlegen, da ab dem Anfangszeitpunkt die Kurse steigen und nur wer voll investiert ist am nachfolgenden Aufschwung vollumfänglich partizipiert.”
Anders formuliert: Auf lange Sicht steigen die Börsenkurse tendenziell, jedenfalls war das in der Vergangenheit so. Wenn ihr einen größeren Betrag einmalig über viele Jahre oder Jahrzehnte investiert, gebt ihr eurem Kapital mehr Zeit, zu wachsen – und profitiert stärker vom Zinseszinseffekt.
Hinzu kommt: Manche ETFs werfen auch Erträge in Form von Dividenden ab, und die schöpfen nur Anleger:innen voll ab, die von Anfang an vollständig investiert sind.
Expertenmeinung: Kein Effekt für mehr Rendite
Besonders eindeutig ist das Urteil von Finanzexperte Gerd Kommer. Er bezeichnet den Cost-Average-Effekt als „Mythos“ und „Legende“ und schreibt im Magazin „WirtschaftsWoche“, dass die Wissenschaft in den vergangenen Jahrzehnten längst Klarheit geschaffen habe.
„Ja, rein technisch-arithmetisch gibt es den Durchschnittskosteneffekt. Aber er hat keine grundsätzlich positive Auswirkung auf die Rendite und noch weniger auf das erreichte Endvermögen.“
Im Gegenteil, meint Kommer: Kalkuliere man die Rendite eines Aktiensparplans gegenüber einer anfänglichen Einmalanlage, sehe man: Letztere lag historisch klar vorn. Bei kurzen Anlagezeiträumen in rund 60 %, ab etwa zehn Jahren in 100 % der Szenarien.
Ob man dank CAE mehr oder weniger Anteile von einem Fonds erhält, ist laut Gerd Kommer eine Denkweise, die in die völlig falsche Richtung geht. Er schreibt in seinem Blog:
„Niedrige Durchschnittskosten pro Anteil sind weder eine Rendite- noch eine Risikokennzahl. Für den Vermögensendwert kommt es darauf an, wie viel Geld an jedem einzelnen Tag oder Monat mit seiner spezifischen Tages- oder Monatsrendite innerhalb der Gesamtperiode von z. B. drei Jahren investiert war.“
Mit anderen Worten: Für eure Rendite zählt nicht der Durchschnittspreis der Anteile, sondern wie viel Geld ihr insgesamt wie lange im Markt anlegt.
Konstruierte Rechnungen: CAE als Renditeturbo?
Oft tauchen Rechenbeispiele auf, die belegen sollen, dass der CAE für höhere Renditen sorgt, etwa dieses Szenario: Die Corona-Krise hatte Mitte Februar 2020 die Börsen mit voller Wucht getroffen. Der Index MSCI World brach stark ein und erholte sich im Jahresverlauf wieder.
Das Beispiel vergleicht eine Einmalanlage in Höhe von 3.000 € und einen Sparplan mit zwölf Zahlungen à 250 €. Das Ergebnis: Nach zwölf Monaten liegt der Sparplan bei 3.351,42 € – ein Plus von 11,7 %. Die Einmalanlage erreicht 3.159,62 €, also ein Zuwachs von nur 5,3 %.
Das Beispiel ist zwar rechnerisch korrekt, zeigt aber nur eine Momentaufnahme, einen sehr kurzen Zeitraum in einer speziellen Marktsituation. Der Sparplan schneidet hier kurzfristig besser ab, weil die Einmalsumme zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt angelegt wurde, kurz vor dem Crash.
Hinzu kommt: Eine Haltedauer von lediglich 12 Monaten ist bei schwankungsanfälligen Aktien-ETFs generell nicht empfehlenswert. Gefragt ist langfristiges Investieren im Sinne von Buy-and-Hold. Das Beispiel steht also weniger für die Renditewirkung des Cost-Average-Effekts, sondern vielmehr für ein extrem schlechtes Timing beim Ein- und Ausstieg.
Wann ist der Cost-Average-Effekt tatsächlich nützlich?
Der Cost-Average-Effekt ist also kein Garant für höhere Renditen, wie es manchmal behauptet wird. Trotzdem gibt es ihn rein rechnerisch – und in bestimmten Situationen hat er auch echte Vorteile.
Sparpläne sorgen für mehr Gelassenheit
Der größte Nutzen des Cost-Average-Effekts ist wohl psychologischer Natur. Manche Anleger:innen zögern, eine große Summe auf einmal zu investieren – aus Angst, den falschen Zeitpunkt zu erwischen. In der Tat: Wer direkt vor Beginn eines Börsencrashs sein Geld anlegt, braucht starke Nerven.
Unser Renditedreieck zeigt das sehr deutlich: Wer ausgerechnet 2007 kurz vor der Finanzkrise eingestiegen ist, musste mehrere Jahre lang im Minus ausharren:
Ein Sparplan kann solche Ängste abmildern. Viele fühlen sich sicherer, wenn sie ihr Vermögen nicht auf einmal investieren, sondern Schritt für Schritt. Falls die Kurse tatsächlich fallen, kann es ein beruhigendes Gefühl sein, günstiger nachkaufen zu können.
Gerade für risikoscheue und unerfahrene Anleger:innen bietet der Sparplan einen Vorteil: Man bleibt diszipliniert investiert und baut langfristig Vermögen auf.
Für viele Anleger:innen stellt sich die Frage nach Einmalbetrag oder Sparplan gar nicht, weil kein größeres Anfangskapital vorhanden ist. In diesem Fall ist der Sparplan die passende Wahl. Selbstverständlich ist es auch möglich, beide Methoden – Einmalsumme und Sparplan – zu kombinieren.
Mit unserem ETF-Sparplanrechner könnt ihr selbst verschiedene Szenarien durchspielen und die potenziellen Renditen von Sparplänen und Einmalsummen vergleichen.
Dabei werdet ihr feststellen: Auch Sparpläne sind von Fall zu Fall eine lohnende Anlage – aber nicht wegen des Cost-Average-Effekts, sondern weil das investierte Geld über Jahre und Jahrzehnte von Kurssteigerungen profitieren kann. Dabei gilt: Je länger das Geld investiert bleibt, desto höher sind die Renditechancen.
Verlustpuffer bei fallenden Kursen
Es gibt ein Börsen-Szenario, bei dem der Cost-Average-Effekt zumindest Wertverluste begrenzen kann: In einem Bärenmarkt, wenn die Börsenkurse über längere Zeit fallen, können die Verluste mit einem ETF-Sparplan geringer sein als bei einer Einmalanlage.
Ein Praxisbeispiel: Das Jahr 2022 war für den MSCI World eines der schwächsten der vergangenen Jahrzehnte. Der globale Aktienindex verlor rund 13,7 % an Wert. Wir vergleichen zwei Geldanlagen in Höhe von jeweils 6.000 €. Einmal investieren wir den gesamten Betrag am Anfang des Jahres 2022, das andere Mal verteilen wir den Betrag mit einem Sparplan mit 500 € pro Monat über das Jahr.
Das Ergebnis Ende Dezember 2022 zeigt die historische Simulation mit unserem ETF Backtest: Die Einmalanlage verliert von 6.000 € rund 821 €, das ist ein Minus von 13,7 %, identisch mit dem Verlust des MSCI World:
Der Sparplan verliert dagegen nur etwa 407 € (minus 6,8 %). Die Verluste fielen also nur etwa halb so hoch aus:
Kurzum: Zwar kann der Cost-Average-Effekt keine Verluste verhindern, doch in diesem Szenario federt der Sparplan dank des CAE die Verluste ab, weil es möglich ist, im Jahresverlauf zu günstigeren Kursen einzukaufen.
Allerdings zeigt das Beispiel auch: Die Einmalanlage startete und endete zu einem ungünstigen Zeitpunkt – am Jahresanfang vor dem Abschwung und am Jahresende noch vor der Erholung. Noch deutlicher wird das Timing-Problem beim zweiten MSCI-Beispiel aus dem Jahr 2020.
Fazit
Der Cost-Average-Effekt existiert zwar rechnerisch, aber in der Praxis sorgt er nicht automatisch für eine bessere Rendite. Studien zeigen, dass ETF-Einmalanlagen meist sogar renditestärker sind als ETF-Sparpläne – bei ausreichendem Zeithorizont und Risikobewusstsein.
Heißt das, Sparpläne lohnen sich nicht? Nein, im Gegenteil: Wenn ihr keinen größeren Geldbetrag auf einmal investieren könnt (oder möchtet), ist ein ETF-Sparplan die beste Option. Ihr solltet euch nur keinen Renditevorteil durch den Cost-Average-Effekt erhoffen.
Der eigentliche Nutzen von Sparplänen liegt vielmehr darin, dass ihr regelmäßig investiert, diszipliniert bleibt und auch mit kleinen Beträgen langfristig Vermögen aufbauen könnt.
Wichtig ist, klar zu unterscheiden: Der Sparplan ist eine sinnvolle Anlagestrategie. Der Cost-Average-Effekt hingegen ist lediglich ein rechnerischer Begleiteffekt dieser Strategie, ohne allzu große Relevanz.
Grundsätzlich solltet ihr euch um den Cost-Average-Effekt also nicht so viele Gedanken machen. Beschäftigt euch lieber mit allen anderen Vor- und Nachteilen von Sparplänen und Einmalanlagen – und trefft auf dieser Basis eure Wahl.
Häufig gestellte Fragen
Der Cost-Average-Effekt ist ein mathematischer Mechanismus, der beim regelmäßigen Investieren fester Geldbeträge in Wertpapiere entsteht, deren Kurse schwanken. Wenn die Kurse fallen, bekommt man mehr Anteile für den gleichen Betrag. Wenn die Kurse steigen, bekommt man weniger Anteile. Am Ende ergibt sich ein Durchschnittspreis, der unter dem Durchschnitt der Kurswerte liegen kann.
Nein. Langfristig bringt eine Einmalanlage im Durchschnitt höhere Renditen als eine gestaffelte Anlage per Sparplan. Denn tendenziell steigen die Börsenmärkte langfristig – wer früher investiert, partizipiert länger vom Zinseszinseffekt.
Ja, selbst wenn der Cost-Average-Effekt keine Vorteile bringt, ist ein ETF-Sparplan sehr sinnvoll und lohnt sich für alle Anleger:innen, die jeden Monat nur kleine Beträge fürs Investieren zur Verfügung haben und langfristig ein Vermögen aufbauen möchten. Unabhängig vom Cost-Average-Effekt sind ETF-Sparpläne ein sinnvolles Investment.









